Tag: Poem
flieder, vielleicht
es war nicht der flieder
oder nicht nur
nicht das rosa
nicht das taumeln der rispen
über den zaun hinaus
in einen himmel
der nicht zu halten war
vielleicht war es
das licht,
wie es zögerte
auf der haut
einen schritt lang
zwischen zwei stimmen
zwischen zwei jahren
die nichts voneinander wussten
du hast gesagt:
er blüht wieder
und ich
hab nur genickt
als würde ich es verstehen
aber alles,
was ich verstand,
war dieser duft
der kam, blieb,
und dann ging.
~*~
© Anne Seltmann
Anne Seltmann 09.05.2025, 00.00 | (1/0) Kommentare (RSS) | TB | PL
Neulich in meinem Garten
stand eine Blume, die sprach,
mit einem Hauch von Geheimnissen,
in den Farben des Morgens.
Sie sprach von verborgenen Wegen,
von den Schattierungen der Stille,
von einem Moment, der zwischen den Blättern hing.
Ich lauschte – wie ein Flüstern
aus einer längst vergessenen Zeit.
Die Vögel, sie sangen,
doch ihre Lieder klangen anders,
nicht wie das übliche Summen
des Alltags,
sondern wie ein Echo aus der Ferne,
wie ein Versprechen.
Der Wind strich sanft durch das Gras,
und es war, als würde auch er sich erinnern
an etwas, das nie wirklich vergangen ist,
an die Zartheit, die die Erde birgt,
und an das Leben, das weiterfließt
wie ein Fluss aus Licht und Schatten.
Neulich in meinem Garten,
da war der Moment – er blühte auf,
verblasste wieder, aber ich fühlte ihn
in jedem Atemzug,
im sanften Beben des Bodens,
in der Stille, die zwischen den Zweigen stand.
Es war kein großes Ereignis.
Ein leises, kaum merkliches Zwiegespräch.
Doch es war genug,
genug, um die Zeit in einem einzigen Atemzug zu spüren,
genug, um für einen Augenblick zu wissen:
Auch das Unausgesprochene ist ein Teil
des großen Ganzen.
Anne Seltmann 08.05.2025, 08.27 | (0/0) Kommentare | TB | PL
[Bild KI generiert / Text © Anne Seltmann]
Feen, sagst du, sind Kinderdinge
aber ich sah sie
zwischen den brombeerblättern
mit händen wie schmetterlingsflügeln
und stimmen, die nicht sprachen
sondern pflanzen bewegten
sie standen auf pilzen,
balancierten auf grashalmen
als wäre schwerkraft
nur ein märchen für uns
ihre augen trugen wald
kein spiegel, nur tiefe
aus der etwas zu mir sah
was nicht fragte
sie nähten den regen
mit spinnfäden an die luft,
zogen den duft des abends
wie einen schleier
über offene felder
sie kannten namen
die wir vergessen haben
und wussten, wann eine ameise trauert
nur wenn wir ganz still sind
vielleicht
legen sie uns ein mooswort
ins ohr
und verschwinden wieder
bevor wir es
aussprechen können
~*~
© Anne Seltmann
Anne Seltmann 08.05.2025, 07.50 | (0/0) Kommentare | TB | PL
Still war das Meer
Jemand hatte das Papierboot gefaltet und aufs Wasser gesetzt –
ganz leise, fast so, als wolle man es nicht wecken.
Es war ein schlichtes Boot. Weiß. Ohne Namen. Ohne Flagge.
Nur kleine Farbtupfer an der Seite,
wie Blätter im Wind
je nachdem, wie man es betrachtete.
Das Wasser trug es fort.
Erst durch Pfützen, dann durch Bäche,
dann kam der Fluss,
und irgendwann kam das Meer.
Niemand hatte es darauf vorbereitet.
Das Plätschern war zu Brandung geworden,
der Himmel zu einem großen, atmenden Tier.
Das Papierboot trieb.
Es hatte kein Ziel.
Aber es hatte Zeit.
Es lauschte den Stimmen der Wellen,
die Geschichten von Schiffen erzählten,
die kamen und gingen,
von Menschen,
die zu viel wollten
und am Ende doch nur das Meer in sich trugen.
Manchmal regnete es.
Manchmal kam eine Wolke zu tief.
Manchmal sang eine Qualle ein Lied,
das niemand verstand,
aber alle fühlten.
Das Papierboot wurde blasser.
Weicher.
Durchsichtiger.
Aber es trieb weiter.
Und als der Morgen kam,
und das Licht wie ein Versprechen über die See strich,
war es verschwunden.
Nicht gesunken.
Nicht zerrissen.
Einfach fort.
Als hätte es sich
endlich selbst entfaltet.
~*~
© Anne Seltmann
Anne Seltmann 07.05.2025, 09.33 | (0/0) Kommentare | TB | PL
Tulpen Zeit
am rand der vase
ein zittern.
nicht blüte, nicht ganz stiel.
ein übergang.
sie standen in grellem rot
gestern noch
ein ausruf im raum
heute:
eine silbe zu viel,
ein neigen.
zwischen tischkante und licht
verbeugt sich der rest.
kein fallen, eher
ein lassen.
was ist schön
am aufhören?
das papier raschelt
am fenster.
jemand sagt:
es riecht nach vergangenem
und meint den frühling
~*~
© Anne Seltmann
Anne Seltmann 06.05.2025, 18.11 | (1/1) Kommentare (RSS) | TB | PL
ich trat
in ein grün,
das nicht wusste,
wie viele namen es hatte
über mir
ein summen,
als hätte jemand vergessen,
die welt auszuschalten
blüten
platzten auf
in farben,
die nicht verabredet waren
ich hielt still
mit der hand
im licht
zwischen zwei halmen
und dachte:
so fühlt sich nichts an,
das wichtig sein will
eine ameise lief
über meinen fuß
wie eine kurze erinnerung
an bewegung
es roch nach
zu viel leben
um es zu zählen
ich sammelte
keine blumen
nur augenblicke
die sich später
nicht erklären lassen
Anne Seltmann 04.05.2025, 10.41 | (0/0) Kommentare | TB | PL
ich saß
nicht wirklich –
eher lag die zeit
auf mir
wie wasser
das nicht
fragt, wohin
eine tasse war da
oder
der abdruck einer tasse
noch warm vielleicht
der tag faltete sich
langsam
wie ein gesicht
das vergessen hatte zu sprechen
ich wusste nicht
ob du kommst
oder
wer du sein würdest
vielleicht warst du schon
da
nur nicht anfassbar
die tür blieb still
wie ein auge,
das nicht mehr blinzelt
alles war
ein atem zu lang
ein satz zu wenig
ich sammelte
staubige lichtflecken
und dachte:
so sieht es wohl aus
wenn nichts passiert
aber alles wartet.
~*~
© Anne Seltmann
Anne Seltmann 04.05.2025, 07.23 | (0/0) Kommentare | TB | PL
(und was blieb)
sie kamen ohne namen
durch eine falte im licht
das über den teppich rann
der staub hielt kurz inne
als ob er sie hören könnte
beim atmen
die erste –
sprach nicht,
ließ eine feder zurück
und eine erinnerung
an das wort "vielleicht"
die zweite –
berührte den rand des glases,
das du nie ganz leer trinkst
und das trotzdem immer
zu voll war für träume
die dritte –
sah dich an
nicht mit augen
sondern
mit allem anderen
du fragtest nicht,
sie antworteten
trotzdem
zwischen zwei uhren
und einem lied
im radio
dann gingen sie
nicht weit,
nur ein bisschen
aus der sicht
und du –
du dachtest plötzlich
an moos
und an dinge,
die sich nicht erklären lassen
aber bleiben.
~*~
© Anne Seltmann
Anne Seltmann 03.05.2025, 14.25 | (1/0) Kommentare (RSS) | TB | PL
die welt hat zu viele stimmen
zu viele finger, die rufen
zu viele rufe, die nichts mehr
bedeuten – außer: ich.
ich.
ich.
zwischen zwei pushnachrichten
verliert sich ein vogelruf
im betonhimmel.
jemand tippt
jemand hupt
jemand schreit
jemand meint es gut.
ich höre
nichts.
ich höre
alles auf einmal.
in meinem kopf
scrollen gedanken
über bilder,
die ich nie berührt habe.
alles will gehört werden
und ich –
will nur einmal
nicht antworten.
stille ist
kein zustand
sondern widerstand.
sie wächst
hinterm lärm,
leise wie moos,
sanft wie schatten
auf einer handfläche
die nichts hält
außer atmung.
ich wünsche mir
eine stille
die nicht erklärt
eine pause
ohne versprechen
ein wort
das bleibt
ohne zu schreien.
~*~
© Anne Seltmann
Anne Seltmann 03.05.2025, 08.38 | (2/0) Kommentare (RSS) | TB | PL