Thema: EigeneWortPerlen
Trudelwipp war die kleinste Hexe im ganzen Finsterwald – und wahrscheinlich auch die einzige, die ihren Besen falsch herum ritt.
„Der Stil gehört nach vorne!", riefen die älteren Hexen.
"Aber dann seh ich doch nicht, wo ich gewesen bin!", antwortete Trudelwipp trotzig und flog mit der Bürste voran.
Bei jeder Probe für die Walpurgisnacht landete sie verkehrt im Baum, flog rückwärts in einen Schwarm Glühwürmchen oder verhedderte sich in den eigenen Zaubersprüchen.
Aber aufgeben? Kam nicht infrage.
In der großen Nacht schließlich drehte der Wind. Die Hexen wirbelten durcheinander – nur Trudelwipp, mit ihrer Rückwärtsflugtechnik, steuerte lässig durch die Böen und landete punktgenau im Kesselkreis.
"Na, wer fliegt jetzt falsch?", kicherte sie – und bekam den lautesten Applaus des Abends.
Anne Seltmann 30.04.2025, 18.14 | (1/1) Kommentare (RSS) | TB | PL
Still stehen sie am Rand der Straßen,
unbeachtet von der Eile der Welt,
mit rostigem Helm und blankem Mantel,
bereit, wenn die Stunde sie ruft.
Inmitten flüchtiger Tage
tragen sie Geduld wie eine zweite Haut,
halten Wasser wie ein Versprechen
für jene, die in Not geraten.
Sie kennen den Lärm und das Schweigen,
das Flüstern der Nacht und das Rufen des Morgens.
Und doch verlangen sie nichts –
keinen Dank, kein Lob, kein Lied.
Kleine eiserne Hüter der Hoffnung,
mit Herz aus Strömen und Seelen aus Stahl,
ihr seid die stillen Helden unserer Wege,
fest verankert im Herzschlag der Stadt.
~*~
© Anne Seltmann
28.04.2025, 18.01 | (1/0) Kommentare (RSS) | TB | PL
Lernen ist kein Käfig.
Es ist ein Flügelschlag.
Ein Kind ist kein Gefäß, das man füllt –
es ist eine Quelle, die sprudelt,
wenn man sie lässt.
Wer Freiheit lernt,
lernt Verantwortung.
Wer wählen darf,
lernt, was ihn wirklich ruft.
Nicht jedes Wissen wächst im Gleichschritt,
manche Gedanken keimen erst,
wenn niemand sie zupft.
Ein Kind, das selbst sucht,
findet mehr als Antworten.
Es findet Mut.
Es findet sich selbst.
Warum also Mauern um offene Horizonte bauen?
Warum Flüsse zwingen, gerade zu fließen?
Lernen will streunen,
wurzeln, leuchten.
So wie Kinder,
wenn man sie nicht daran hindert.
~*~
© Anne Seltmann
Anne Seltmann 28.04.2025, 07.12 | (2/2) Kommentare (RSS) | TB | PL
So weit, so gut,
flüstert die ferne Stimme in mir.
Der Wind pfeift hinter mir her,
ein unsichtbarer Freund,
der mich mit rauer Hand in die Zukunft schiebt.
Die beißende Luft treibt mich vorwärts,
eisig und unerbittlich,
doch in meinem Herzen glimmt
ein stilles Feuer, das nicht verlischt.
Jeder Schritt –
ein Tanz auf dünnem Eis,
schwebend zwischen Illusion und Schwerkraft,
zwischen Traum und Erwachen.
Egal wie tief ich falle –
jetzt fliege ich.
Mit offenen Armen,
mit blinzelnden Augen
und einer Seele,
die den Himmel längst gefunden hat.
~*~
© Anne Seltmann
Anne Seltmann 27.04.2025, 08.08 | (1/0) Kommentare (RSS) | TB | PL
Sie fliegt dem Himmel entgegen,
die Haare voller Wind,
das Herz ein leiser Aufbruch,
ihr Lachen hell wie ein Lied.
Die Welt schwingt unter ihr weiter,
doch sie hält sich nur an das Jetzt.
Ein Mädchen –
leicht wie der Moment,
frei wie der Traum.
~*~
© Anne Seltmann
Anne Seltmann 26.04.2025, 09.27 | (1/0) Kommentare (RSS) | TB | PL
[Bild KI generiert / Text © Anne Seltmann]
vielleicht
war es nicht die Uhr
sondern die Hand
die etwas suchte im Kreis
ein Rest Kaffeewärme
auf dem Tisch
der gestern noch
morgen war
Papier liegt herum
träger als vorher
die Minuten tropfen
nicht mehr in Regelmäßigkeit
jemand hat geflüstert
zeit ist keine Linie
sondern eine Schleife
um den Finger der Abwesenheit
und du
stehst
mitten
im ticken
aber keiner sagt dir
wann
du
anfangen
musst
~*~
© Anne Seltmann
Anne Seltmann 25.04.2025, 08.47 | (0/0) Kommentare | TB | PL
Es gibt Tage – und sie sind selten genug – da verlangt das Leben nach keiner Eile.
Die Welt dreht sich auch ohne unser sofortiges Zutun weiter, der Kaffee wartet geduldig, und selbst der Morgen scheint sich auf Zehenspitzen zu nähern, um uns nicht zu stören. Für diese sanften Stunden gibt es ein wundervolles Wort: Hurkle-Durkle.
Ein Ausdruck aus dem schottischen Englisch, der klingt, als hätte ihn jemand im Halbschlaf geträumt – weich, rund, gemütlich. Hurkle-durkle, das ist dieses herrlich träumerische Verharren im Bett, wenn der Tag längst an die Fensterscheiben klopft, man sich aber noch einmal wohlig einrollt, die Decke wie ein kleines Universum um sich zieht und denkt: Nur noch ein paar Minuten…
Es ist keine Faulheit. Es ist ein stilles Festhalten an der Stille, ein Zelebrieren des Übergangs. Zwischen Traum und Tat, zwischen Schlaf und Sein. Vielleicht ist Hurkle-durkle sogar ein Akt der Selbstfürsorge – ein Innehalten, bevor das Leben wieder nach Struktur verlangt.
Früher, in schottischen Haushalten, war der Begriff eine liebevolle Mahnung an die Langschläfer. Heute feiert er eine kleine Renaissance in der Welt der Slow Living-Bewegung. Und vielleicht braucht es auch gerade das: einen Ausdruck für das bewusste Nichtstun am Morgen, für das kleine Aufschieben der Welt.
Ich selbst hatte und habe niemals diese Ruhe, dieses Hurkle-durkle, aber vielleicht sollte ich mir dieses Wort merken – und vielleicht ein kleines Ritual daraus machen. Ein Hurkle-Durkle-Sonntag. Ein Deckenfest. Ein "Ich bleib noch ein bisschen"-Moment.
Denn manchmal sind es gerade diese Minuten, in denen wir am meisten bei uns sind!
Anne Seltmann 24.04.2025, 08.11 | (3/3) Kommentare (RSS) | TB | PL
Die Straße
Nicht die Länge ist es,
die dich trägt,
sondern der erste Schritt,
der leise Atem
in deinem Sein.
Vergiss die Ferne,
vergiss das Ende,
nur der nächste Hauch
gehört dir.
Ein Strich der Zeit,
ein stiller Flügelschlag,
und alles wächst
aus deinem Vertrauen.
So löst sich die Straße auf,
während du gehst –
in Licht,
in Stille,
in dich selbst.
~*~
© Anne Seltmann
Anne Seltmann 22.04.2025, 16.27 | (0/0) Kommentare | TB | PL
Die Erde summt
unter dem Gewicht der ersten Knospen,
streckt ihre Adern
in das helle Blau.
Zwischen Stein und Staub
atmet neues Leben,
leise,
unbeirrt,
wie ein Versprechen im Licht.
Und jeder Schritt auf ihr
ist ein Flüstern:
Alles beginnt,
immer wieder,
aus einem einzigen Tropfen Mut.
~*~
© Anne Seltmann
Anne Seltmann 22.04.2025, 08.24 | (1/1) Kommentare (RSS) | TB | PL
Tausende Tropfen aus Licht
verhaken sich im Grau,
ziehen Spuren
über mein wachendes Herz.
Die Minuten fallen
ineinander,
ohne Laut,
ohne Richtung.
Ich atme sie ein,
ich lasse sie gehen,
und bleibe
ein Augenblick lang.
~*~
© Anne Seltmann
Anne Seltmann 21.04.2025, 08.11 | (1/1) Kommentare (RSS) | TB | PL