Blogeinträge (themensortiert)

Thema: AutorenPerlen

Aus einem April...






Wieder duftet der Wald.

Es heben die schwebenden Lerchen

mit sich den Himmel empor, der unseren Schultern schwer war;

zwar sah man noch durch die Äste den Tag, wie er leer war, –

aber nach langen, regnenden Nachmittagen

kommen die goldübersonnten

neueren Stunden,

vor denen flüchtend an fernen Häuserfronten

alle die wunden

Fenster furchtsam mit Flügeln schlagen.

 

Dann wird es still. Sogar der Regen geht leiser

über der Steine ruhig dunkelnden Glanz.

Alle Geräusche ducken sich ganz

in die glänzenden Knospen der Reiser.


 ~*~


Rainer Maria Rilke


[Das Buch der Bilder]




Anne Seltmann 29.12.2023, 09.14 | (2/0) Kommentare (RSS) | TB | PL

An die Mutter






Wer Vertrauen hat, ist stark,

und diese stille Weihnachtsstunde

ist von denen, die Kraft verleihen

können, weil sie voll Wunder

sind und voll Geheimnis.


Und man muss nur still und

einsam und geduldig genug sein,

um die Gnade einer solchen Stunde

in sich aufzunehmen, die in viele

nicht eingeht, weil kleines

Geräusch in ihnen ist und keine

Ordnung.

 

~*~


Rainer Maria Rilke,

Brief an die Mutter,

20. Dezember 1903




Anne Seltmann 21.12.2023, 11.15 | (1/0) Kommentare (RSS) | TB | PL

Die hohen Tannen








Die hohen Tannen atmen heiser

im Winterschnee, und bauschiger

schmiegt sich sein Glanz um alle Reiser.

Die weißen Wege werden leiser,

die trauten Stuben lauschiger.

Da singt die Uhr, die Kinder zittern:

Im grünen Ofen kracht ein Scheit

und stürzt in lichten Lohgewittern, –

und draußen wächst im Flockenflittern

der weiße Tag zur Ewigkeit.


~*~



Rainer Maria Rilke





Anne Seltmann 17.12.2023, 07.28 | (0/0) Kommentare | TB | PL

Abend







Der Abend wechselt langsam die Gewänder,

die ihm ein Rand von alten Bäumen hält;

du schaust : und von dir scheiden sich die Länder,

ein himmelfahrendes und eins,  das fällt;

und lassen dich,  zu keinem ganz gehörend,

nicht ganz so dunkel, wie das Haus, das schweigt,

nicht ganz so sicher Ewiges beschwörend

wie das,  was Stern wird jede Nacht und steigt -

und lasssen dir ( unsäglich zu entwirrn )

dein Leben bang und riesenhaft und reifend,

so dass es,  bald begrenzt und bald begreifend,

abwechselnd Stein in dir wird und Gestirn.

 

 ~*~


Rainer Maria Rilke 






Anne Seltmann 15.12.2023, 15.53 | (4/2) Kommentare (RSS) | TB | PL

Und der Mut ist so müde geworden...




Grafik © Anne Seltmann





…Und der Mut ist so müde geworden und die Sehnsucht so groß. 

Es gibt keine Berge mehr, kaum einen Baum. Nichts wagt aufzustehen. 

Fremde Hütten hocken durstig an versumpften Brunnen. Nirgends ein Turm.

Und immer das gleiche Bild. Man hat zwei Augen zu viel. 

Nur in der Nacht manchmal glaubt man den Weg zu kennen

Vielleicht kehren wir nächtens immer wieder das Stück zurück,

dass wir in der fremden Sonne mühsam gewonnen haben?

Es kann sein…



~*~


Rainer Maria Rilke






Anne Seltmann 15.12.2023, 07.32 | (1/1) Kommentare (RSS) | TB | PL

Es ist Advent







Die Blumen sind verblüht im Tal, die Vöglein heimgezogen;

Der Himmel schwebt so grau und fahl, es brausen kalte Wogen.

Und doch nicht Leid im Herzen brennt: Es ist Advent!


Es zieht ein Hoffen durch die Welt, ein starkes, frohes Hoffen;

das schließet auf der Armen Zelt und macht Paläste offen;

das kleinste Kind die Ursach kennt: Es ist Advent!


Advent, Advent, du Lerchensang von Weihnachtsfrühlingstunde!

Advent, Advent, du Glockenklang vom neuen Gnadenbunde!

Du Morgenstrahl von Gott gesandt! Es ist Advent!

 

~*~


Friedrich Wilhelm Kritzinger






Anne Seltmann 11.12.2023, 11.36 | (1/1) Kommentare (RSS) | TB | PL

Abends wenn es dunkel wird




[Mit Adobe Firefly erstellt]



Abends, wenn es dunkel wird,

und die Fledermaus schon schwirrt,

gehn wir mit Laternen aus,

in den Garten hinter'm Haus,

und im Auf- und Niederwallen

lassen wir das Lied erschallen:

Laterne, Laterne, Sonne, Mond

und Sterne!


Wie so lieblich aus dem Grün,

fern und nah die Lichter glühn,

schimmern auf den hellen Steig,

spiegeln sich im schwarzen Teich;

rosig aus dem Dunkel leuchtet

manche Blume thaubefeuchtet.

Laterne, Laterne, Sonne, Mond

und Sterne!


Plötzlich aus dem Wolkenthor

kommt der gute Mond hervor,

wandelt seine Himmelsbahn

als ein Hauptlaternenmann,

leuchtet bei dem Sterngefunkel

lieblich aus dem blauen Dunkel.

Laterne, Laterne, Sonne Mond

und Sterne!


Ei, nun gehen wir nach Haus,

blasen die Laternen aus,

lassen Mond und Sternlein

leuchten in der Nacht allein,

bis die Sonne wird erwachen,

alle Lampen auszumachen.

Laterne, Laterne, Sonne, Mond

und Sterne.

 

 ~*~


Heinrich Seidel (1842-1906)



Zum Mitsingen


gesungen von Jürgen Fastje




Anne Seltmann 15.11.2023, 10.44 | (3/2) Kommentare (RSS) | TB | PL

Blätter







Wie schön die Blätter älter werden. 

Voller Licht und Farbe sind ihre letzten Tage.


~*~

John Burroughs 

(1837 - 1921) 


US-amerikanischer literarischer Naturforscher






Anne Seltmann 08.11.2023, 08.33 | (2/0) Kommentare (RSS) | TB | PL

Nebel







Ich hab es gerne... wenn Nebel liegt... jener

schwere dicke Herbst- und Winternebel, durch

den die Sonne nicht mehr durchkommt, so dass es

wie weiße Nacht in den Straßen steht.

Es ist so schön still dann überall...

das laute Rasseln und Rollen des Alltags

dämpft sich zu leisem heimlichem Summen, das

ganze Leben rinnt zu Traum hinüber und es ist

immer nur ein kleines Stückchen,

dass du übersiehst... Ich hab es

gerne drum, wenn Nebel liegt: es

ist so traulich und so heimisch dann auf Erden.

 

Die grellen Lichter verfließen,

die stürzenden Wogen verrauschen

Und all die Unruhe in der Brust verstummt

Und das quälende Hinausdrängen ins Weite..

Lächelnd kehrt die Sehnsucht aus der Ferne

und ein heimlich Froh-sein schmeichelt sich ins Herz und

küsst mit Kinderlippen all seine Wunden zu,

und inniger schmiegt der Wunsch sich an die Nähe…

Es ist wie ein still Zu-Hause-sein, wie ein Besinnen

auf sich selbst und Kräfte sammeln…

Es ist, wie wenn du aus dem Lärm der Fremde

für ein paar Stunden einmal in die Heimat kämst

und durch die alten lieben Gassen gingest…

Du weißt, man kennt dich hier…man hat dich lieb…

du wirst dir selber wieder lieb…und du fühlst als Ganzes dich…

und fester tritt dein Fuß auf, ruhiger und sicherer

Und freudiger siehst du nachher die bunte Ferne sich enthüllen wieder…

Ich hab es gern drum, wenn Nebel liegt…

es ist so traulich und so heimisch dann auf Erden.

 ~*~

Cäsar Flaischlen






Anne Seltmann 29.10.2023, 08.40 | (2/0) Kommentare (RSS) | TB | PL

Manche wissen nicht







Manche Menschen wissen nicht,

wie wichtig es ist, dass sie einfach da sind.

 

Manche Menschen wissen nicht,

wie gut es tut, sie nur zu sehen.

 

Manche Menschen wissen nicht,

wie tröstlich ihr gütiges Lächeln wirkt.

 

Manche Menschen wissen nicht,

wie wohltuend ihre Nähe ist.

 

Manche Menschen wissen nicht,

wie viel ärmer wir ohne sie wären.

 

Manche Menschen wissen nicht,

dass sie ein Geschenk des Himmels sind.

 

Sie wüssten es,

würden wir es ihnen sagen.


~*~

Petrus Ceelen





 

Petrus Ceelen (* 1943) ist ein belgischer geistlicher Schriftsteller. Er studierte katholische Theologie in Belgien und an der Universität Mainz. Er absolvierte außerdem eine Zusatzausbildung in Gesprächstherapie.




Anne Seltmann 13.10.2023, 08.27 | (5/0) Kommentare (RSS) | TB | PL

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