Thema: AktuellePerlen

Worte, die entmenschlichen
Es gibt Ausdrücke, die mehr zerstören als benennen – und einer davon ist für mich "Leichnam oder menschliche Überreste". Ein Wort, das in sich kein Einfühlungsvermögen trägt, keinen Rest von Menschlichkeit.
Gestern ging die Nachricht durch alle Medien: Laura Dahlmeier, die Olympiasiegerin und mehrfache Weltmeisterin im Biathlon, ist bei einem tragischen Bergunglück in Pakistan ums Leben gekommen. In Berichten heißt es nüchtern: ihr Leichnam bleibt am Berg, ganz in ihrem Sinne und Wunsch. Doch dieser nüchterne Begriff verzerrt alles.
Laura war kein "Leichnam". Sie war ein Mensch mit Mut, Leidenschaft, Humor und Bodenständigkeit – eine Inspiratorin weitaus über den Sport hinaus.
Wenn Journalist:innen oder Behörden in ihrer Berichterstattung dieses Wort verwenden, fühle ich, wie sich nicht nur die Erinnerung ihrer Person entfernt – sondern wie sich auch unserer gemeinsames Menschsein entfremdet. Leichnam klingt wie etwas, das wir wegräumen, zurücklassen, verschwinden lassen könnten.
Ich halte eine Sprache für nötig, die Menschen nicht in Kategorien verwandelt, sondern sie ehrt – die sensibel bleibt, auch wenn Worte über Leben und Tod entscheiden. Laura hat gerne Berge bestiegen, sie war Abenteurerin aus Überzeugung, bis zuletzt. Ihre Entscheidung, im Unfallfall keine Bergungsaktion zu riskieren, unterstreicht am Ende ihre Bodenständigkeit und Haltung.
Ich wünsche mir, dass wir im Angesicht von Tod und Trauer nicht vergessen: Hinter jeder Meldung steht ein Name, ein Leben, eine Geschichte. Und dass wir Worte wählen, die das Respektieren – nicht Worte, die die Menschlichkeit auf ein Ding reduzieren. Denn das, was Laura Dahlmeier hinterlässt, ist weit größer als jeder sportliche Rekord. Es ist ein Vermächtnis, das in Erinnerungen weiterlebt – nicht in einem Begriff wie "Leichnam".
Mein tiefes Mitgefühl gilt allen, die um Laura Dahlmeier trauern. Sie war weit mehr als ein Name im Sport – ein Mensch voller Mut, Leidenschaft und Wärme.
Das Wort Leichnam stammt aus dem Althochdeutschen und setzt sich ursprünglich aus zwei Teilen zusammen:
līh oder līk = "Körper, Gestalt, Leiche"
nam = "genommen, übernommen“ oder auch "Name"
Im Mittelhochdeutschen bedeutete lichnam noch ganz neutral "menschlicher Körper" – egal, ob lebendig oder tot. Erst im Laufe der Zeit, etwa ab dem Spätmittelalter, verschob sich die Bedeutung zu "toter Körper eines Menschen".
Anne Seltmann 31.07.2025, 08.53 | (3/3) Kommentare (RSS) | TB | PL

Heute ist ein besonderer Tag. Ein Tag, an dem wir innehalten dürfen, um uns daran zu erinnern, wer die eigentlichen Träger unserer Zukunft sind: die Kinder.
Sie tanzen barfuß durch Pfützen, sprechen mit unsichtbaren Freunden, bauen Burgen aus Decken und Träumen. Sie stellen Fragen, die uns lächeln lassen. Was wir auch noch längst vergessen haben, ist: das Staunen, das Wundern, das Vertrauen in das Gute.
Der Weltkindertag ist mehr als ein Gedenktag. Er ist eine Einladung. Eine Einladung, hinzuschauen, zuzuhören, zu begleiten – mit Geduld, mit Liebe, mit echtem Interesse. Nicht nur heute, sondern an jedem einzelnen Tag.
Und wenn wir ehrlich sind: In jedem von uns wohnt noch ein kleines Stück Kind. Vielleicht ist es gerade ein guter Moment, es wieder herauszulassen. Für ein Lächeln. Für einen Purzelbaum. Für eine Geschichte unterm Küchentisch.
Ich wünsche allen kleinen und großen Kindern heute einen Tag voller Leichtigkeit, Geborgenheit und bunter Ideen.
Denn Kinder sind keine kleinen Erwachsenen.
Sie sind ganze Welten im Werden!
Anne Seltmann 03.07.2025, 07.56 | (1/1) Kommentare (RSS) | TB | PL






Kiel ist für die Segler der Welt im Juni das Ziel. Keine Segel-Veranstaltung der Welt kann diese Klasse und Masse aufweisen. Und die Kieler Veranstalter setzen alles daran, als Serviceunternehmen, den Seglern aus aller Welt zu zeigen: Kiel ist das Tor zur Welt!
Die Kieler Woche zeigt sich in ihrem ganzen Facettenreichtum: Ein lebendiges Zusammenspiel aus sportlicher Eleganz, maritimer Freiheit und fröhlicher Festivalatmosphäre.
Am Olympiazentrum in Schilksee, wo schon Legenden des Segelsports ihre Bahnen zogen, pulsiert die Energie. Das Riesenrad hebt sich majestätisch gegen den Himmel, seine Gondeln schweben wie kleine Träume über die Küste und bieten einen atemberaubenden Blick auf die strahlende Förde.
Die Segelregatten sind ein Tanz auf dem Wasser – weiß glänzende Segel, die sich im Wind wiegen, bringen Spannung und Dynamik ins Spiel. Jedes Boot erzählt seine eigene Geschichte, jeder Kurs fordert Konzentration und Mut. Die Sonne spiegelt sich in den Wellen, die Segler gleiten mit der Natur im Einklang dahin.
Ein zusammengelegtes Segel am Kai erinnert daran, wie viel Herzblut und Handarbeit in jedem dieser Boote steckt. Hier trifft Tradition auf Leidenschaft, die die Kieler Woche so einzigartig macht.
Zwischen den sportlichen Höhepunkten pulsiert das Leben – Musik, Lachen und die Freude der Menschen, die das Meer lieben. Die Kieler Woche ist mehr als ein Event, sie ist ein Gefühl, das tief unter die Haut geht.
Anne Seltmann 22.06.2025, 07.38 | (3/0) Kommentare (RSS) | TB | PL

In Schweden ist Midsommar – gleich nach Weihnachten – das wohl bedeutendste Fest im Jahreslauf. Gefeiert wird es meist im Kreis von Familie, Freunden und Nachbarn. Der Mittsommerabend, auf Schwedisch midsommarafton, fällt immer auf einen Freitag zwischen dem 19. und 25. Juni – irgendwo zwischen Lichtfülle und Sommersehnsucht.
Irgendwann zwischen Tag und Nacht, wenn die Schatten noch weich sind und das Licht nicht weichen will, beginnt das, was man im Norden "Midsommar" nennt. Kein Datum, sondern ein Gefühl. Kein Feiertag, sondern ein leiser Tanz mit der Zeit.
Ich habe nie ein klassisches Mittsommerfest erlebt. Kein Maibaum, keine Erdbeertorte mit Sahne, kein Tanz ums Feuer. Und doch verstehe ich es – weil es in uns allen wohnt: dieses Bedürfnis, das Licht zu feiern, wenn es am längsten bleibt. So, als könnten wir für einen Moment die Dunkelheit überlisten.
Hier an der Ostsee wirkt Mittsommer anders. Der Wind riecht nach Salz und Heckenrose, und meine Möwen tragen Blumenkränzchen. Nicht in Wirklichkeit – aber auf meinen Bildern, die mit einem Augenzwinkern zeigen, dass auch das Meer das Feiern nicht verlernt hat. Möwen, die tanzen, statt zu kreischen. Sommerfantasien im Federkleid.
In meinem Kopf tanzen Mädchen barfuß über eine Wiese, Blumen im Haar, Lachen in der Luft. Die Glühwürmchen zögern nicht lange, und der Himmel macht keine Anstalten, zu verblassen. Vielleicht ist es das: ein kurzer Stillstand, mitten im Kreisen der Welt. Und wir, die wir zusehen oder mittanzen, wissen plötzlich wieder, wie sich Leichtigkeit anfühlt.
Mittsommer ist kein Fest der großen Gesten. Es reicht, sich auf eine Wiese zu setzen, die Stille zu hören, Möwen zuzulächeln und zu spüren, wie der Tag sich nicht entscheiden kann.
Ich glaube, es sind diese Momente, in denen wir uns wiederfinden – zwischen Tau und Himmel, zwischen Küstenlicht und innerem Gleichgewicht.
© Anne Seltmann
Anne Seltmann 21.06.2025, 15.00 | (1/0) Kommentare (RSS) | TB | PL

Aus aktuellem Anlass:
Bundeskanzler Friedrich Merz hat angekündigt, die steigenden Ausgaben für die Eingliederungshilfe und Jugendhilfe umfassend zu überprüfen. Er bezeichnete jährliche Kostensteigerungen von bis zu zehn Prozent als "nicht länger akzeptabel"
Es beginnt oft leise. Eine Kürzung hier, eine Einschränkung da. Ein Antrag, der nicht genehmigt wird. Eine Maßnahme, die wegfällt. Und plötzlich ist ein Mensch weniger sichtbar in der Gesellschaft – nicht, weil er das möchte, sondern weil Strukturen ihn ausschließen.
Dabei ist Teilhabe kein Bonus, den man sich verdienen muss. Teilhabe ist ein Grundrecht. Für alle. Auch – und gerade – für Menschen mit Behinderungen.
Eingliederungshilfe bedeutet Zugang zum Leben
Die sogenannte Eingliederungshilfe soll genau das leisten: Menschen mit Behinderungen die volle, gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglichen. Ob es um Unterstützung im Alltag, am Arbeitsplatz oder in der Freizeit geht – sie ist ein entscheidender Baustein für Selbstbestimmung, Würde und Chancengleichheit.
Wer hier kürzt, kürzt nicht nur Leistungen.
Er kürzt Möglichkeiten. Beziehungen. Lebensfreude. Er kürzt das Recht auf Sichtbarkeit und Mitwirkung in einer Gesellschaft, die sich demokratisch und solidarisch nennt.
Ein Menschenrecht, nicht eine Gnade
Die UN-Behindertenrechtskonvention, die Deutschland 2009 ratifiziert hat, verpflichtet uns klar: Teilhabe ist ein Menschenrecht. Sie darf nicht unter Haushaltsvorbehalt stehen. Sie darf nicht gegeneinander aufgerechnet werden. Und sie darf schon gar nicht zur Verhandlungsmasse werden, wenn politische Prioritäten sich verschieben.
Wer teilhaben darf, lebt anders
Wer Teilhabe erfährt, lebt nicht nur besser – er wird auch gehört. Gesehen. Beteiligt. Und genau darum geht es: Eine inklusive Gesellschaft ist kein Ideal, das man irgendwann erreicht. Sie ist ein ständiger Prozess, in dem wir täglich neu entscheiden, ob wir Menschen einbeziehen oder sie an den Rand drängen.
Teilhabe darf nicht gekürzt werden. Nicht heute, nicht morgen, nie.
Denn sie ist nicht Verzicht – sie ist Voraussetzung.
Für eine Gesellschaft, die niemanden zurücklässt.
Anne Seltmann 17.06.2025, 11.01 | (3/2) Kommentare (RSS) | TB | PL

Heute ist Internationaler Tag des Spielens – ein Tag, der uns daran erinnert, wie kostbar das zweckfreie Tun ist. Spielen kennt kein Alter, keine Grenzen, kein Ziel. Es ist eine Sprache, die alle verstehen – leicht, spontan, lebendig. Ob Kinder mit Bauklötzen träumen, Erwachsene in Geschichten versinken oder Gedanken Purzelbäume schlagen – im Spiel begegnen wir uns selbst auf neue Weise. Vielleicht ist das Spiel nicht das Gegenteil von Ernst, sondern seine leichtere Schwester.
Heute also: ein bisschen mehr zweckfrei. Ein bisschen mehr Kind. Ein bisschen mehr Spiel.
Motto:
Im Spiel verliert die Zeit ihr Maß – und gewinnt ihr Leuchten.
Anne Seltmann 11.06.2025, 05.44 | (0/0) Kommentare | TB | PL

Der Welttag der kulturellen Vielfalt steht für Dialog und Entwicklung – ein Tag, der leise an unsere Tür klopft und fragt: Wie bunt darf das Leben sein? Wie offen unser Herz? Wie bereit unser Blick, Neues zu sehen?
Es geht nicht nur um fremde Küchen, ferne Tänze oder bunte Stoffe – es geht um das tiefe Verstehen, dass jede Kultur ein Fenster in eine andere Welt ist. Dass wir nicht alles gleich machen müssen, um miteinander zu leben. Sondern dass gerade im Anderssein das Gemeinsame liegt.
Kulturelle Vielfalt ist kein Beiwerk. Sie ist Quelle von Ideen, sie ist das leise Lied der Menschheit, das in vielen Sprachen, Farben und Formen klingt. Sie ist nicht immer bequem. Aber immer bereichernd – wenn wir bereit sind, uns einzulassen.
Dialog heißt nicht, dass man einer Meinung sein muss. Sondern dass man bereit ist, zuzuhören, zu lernen, zu fragen – und sich verändern zu lassen. So wie ein Fluss, der sich nicht verirrt, wenn er Umwege macht.
Entwicklung beginnt da, wo wir aufhören, Angst vor dem Fremden zu haben – und anfangen, es mit neugierigen Augen zu sehen. Vielleicht ist das der schönste Fortschritt: Dass wir nicht nur Technik, sondern auch Verständnis wachsen lassen.
Heute ist ein Tag, innezuhalten. Sich umzusehen. Und vielleicht zu erkennen, dass Vielfalt keine Bedrohung ist – sondern ein Geschenk. Ein tägliches.
"Die Welt ist kein Einheitslied – sie ist ein Chor. Und jeder Ton zählt."
© Anne Seltmann
Anne Seltmann 10.06.2025, 14.37 | (0/0) Kommentare | TB | PL

Hintergrund:
Er wurde 1972 von den Vereinten Nationen (UN) ins Leben gerufen. Ziel ist es, das Bewusstsein für Umweltprobleme zu stärken und zum Handeln zu motivieren – sei es in Politik, Gesellschaft oder im Alltag.
Ein Tag, der uns daran erinnert, dass wir Gäste sind auf dieser Erde – nicht ihre Besitzer.
Vielleicht braucht es keinen lauten Appell.Vielleicht reicht ein Moment des Hinschauens: auf das feine Zittern im Blatt, den Duft von nasser Erde nach dem Regen, den Schatten eines Vogels, der über das Dach fliegt. Die Natur ist kein Hintergrundrauschen. Sie ist Sprache, die wir verlernt haben. Ein Flüstern, das lauter wird,wenn wir stiller werden.
Anne Seltmann 06.06.2025, 08.42 | (1/0) Kommentare (RSS) | TB | PL

05.06.2025, 05.56 | (2/2) Kommentare (RSS) | TB | PL

Neulich habe ich ein Rezept auf Facebook gesehen.
Nichts Spektakuläres – ein einfacher Pflaumen-Streuselkuchen. Sah fluffig aus,
ein bisschen nach Kindheit. Ich dachte: "Och, den könnte ich mal
ausprobieren."
Ein harmloser Gedanke. Wie naiv ich war.
Denn kaum war ich in die Kommentarspalte gerutscht, fand ich mich mitten im Küchenkrieg wieder. Da tobte nicht nur die Debatte ums Backpulver, sondern gleich um die Grundfesten der modernen Ernährung.
Der erste Kommentar:
"Viel zu viel Zucker – wollt ihr uns alle umbringen?"
Okay, dachte ich, jemand hat sich gerade seine Ernährungspyramide umgebaut.
Der zweite:
"Glyphosat! Das Mehl ist garantiert verseucht!"
Na wunderbar. Ich war also nicht nur ein potenzieller Zuckermörder, sondern
auch noch Mitverschwörer in einem Agrargift-Skandal.
Der Dritte?
"Ich mache das ganz anders: Statt Mehl nehme ich Haferflocken, statt Zucker
Ahornsirup, statt Butter Kokosöl und statt Ei… nix."
Klingt nach einem veganen Türstopper.
Und so geht es weiter. Unter jedem harmlosen Rezept versammeln sich die selbsternannten Ernährungsexperten, Küchenethiker und Kulinarik-Propheten, die alles besser wissen – und auch unbedingt alles sagen müssen.
Das Rezept selbst?
Wurde von keiner dieser Personen ausprobiert. Warum auch? Es geht ja nicht ums
Kochen. Es geht ums Recht-Haben.
Ich stelle mir vor, wie sie zu Hause sitzen, mit einem Löffel in der einen Hand und der anderen auf der Enter-Taste, lauernd wie Küchen-Ninjas: "Ah! Da! Ein Rezept! Angriff!"
Ich?
Ich back den Kuchen trotzdem. Mit Zucker. Mit Mehl. Mit Geschmack.
Und mit dem Wissen, dass ich bei Facebook nichts esse – außer vielleicht ein
paar Kommentare. Und manchmal… ein bisschen Spott!
© Anne Seltmann

Anne Seltmann 30.05.2025, 09.51 | (2/1) Kommentare (RSS) | TB | PL