
In einem kleinen Zimmer, in dem der Mond jeden Abend durch das Fenster schien, hing über dem Bett eines Kindes ein Traumfänger. Er war alt, doch wunderschön. Federn in sanften Farben tanzten leise im Luftzug, und in seinem Netz funkelten kleine Perlen, als hielten sie die Sterne selbst gefangen.
Das Kind hieß Maaret. Sie hatte den Traumfänger von ihrer Großmutter bekommen, die sagte: "Er fängt die bösen Träume ein, damit sie dich nicht finden." Maaret glaubte ihr – und doch fragte sie sich oft, was in der Nacht wirklich geschah, wenn sie schlief.
Eines Abends, kurz bevor sie die Augen schloss, flüsterte sie: "Traumfänger, erzähl mir, was du tust, wenn es dunkel wird." Da vibrierte der Ring ganz sanft, und plötzlich glühte das Netz in einem warmen Licht.
"Ich bin der Hüter deiner Nacht," flüsterte eine Stimme, so weich wie Wind im Gras. "Wenn du träumst, komme ich zu dir. Ich sammle die Schatten, die dich ängstigen, und halte sie fest, bis der Morgen sie fortträgt. Nur die guten Träume dürfen durch mein Herz wandern – die leisen, die zarten, die dich lächeln lassen."
Maaret lächelte im Halbschlaf. In ihrem Traum sah sie den Traumfänger als große, schimmernde Spinne aus Licht, die ein Netz spannte zwischen Mond und Sternen. In den Fäden glitzerten Erinnerungen – Lachen, Wärme, Licht. Die dunklen Gestalten, die sich heranschlichen, verstrickten sich darin und lösten sich auf, als das Mondlicht sie berührte.
Als Maaret am Morgen erwachte, war ihr Zimmer still und friedlich. Eine Feder des Traumfängers hatte sich gelöst und lag auf ihrem Kopfkissen. Sie nahm sie in die Hand und dachte: Vielleicht war das sein Gruß – oder ein Beweis, dass er wirklich da war.
Von diesem Tag an schlief Maaret nie mehr ängstlich ein. Wenn sie nachts den Traumfänger im Mondlicht glitzern sah, wusste sie: Da oben wacht jemand über ihre Träume – leise, geduldig und voller Liebe.
Anne Seltmann 09.11.2025, 15.47| (0/0) Kommentare | TB | PL | einsortiert in: EigeneWortPerlen | Maaret, Traumfänger, Geschichte, Anne Seltmann,