Tag: Poem
Am Ufer
der fluss sagt nichts
und erzählt doch alles
was vergeht
hütten
ducken sich ins grün
als wollten sie
übersehen werden
der steg
ein satz ohne punkt
offen ins wasser geschrieben
auf der bank
der abdruck
von jemandem
der vielleicht du warst
~*~
© Anne Seltmann
Anne Seltmann 14.05.2025, 07.24 | (0/0) Kommentare | TB | PL
sie steht
inmitten der blumen,
die sich nicht entscheiden müssen
ein drachen
zittert in ihrer hand
wie ein gedanke ans fortsein
die schnur –
nicht fessel,
nicht versicherung
vielleicht ist freiheit
nicht im loslassen
nicht im festhalten
sondern
im wissen,
dass beides möglich ist
~*~
© Anne Seltmann
Anne Seltmann 13.05.2025, 17.06 | (0/0) Kommentare | TB | PL
sie standen nicht
mehr fest,
diese himmelslichter –
zogen ihre bahnen
nicht aus ordnung,
sondern aus sehnsucht
ein mädchen
im schatten der gärten,
die finger voller nächte,
die augen offen
für das unbegreiflich kleine
und als das erste licht
ihren körper berührte,
dachte sie:
so muss es sein,
wenn die welt
zu flüstern beginnt
~*~
© Anne Seltmann
Anne Seltmann 12.05.2025, 16.21 | (0/0) Kommentare | TB | PL
wirsing
wirsing liegt
wie eine frage
im gemüsefach
grün wie ein versuch
den ich nicht zuende
gedacht habe
schichten aus
blättern, falten,
vermutungen
ich schneide ihn
als würde ich
eine erinnerung öffnen
die nicht meine ist
der topf dampft
der raum riecht
nach kindheit
oder nach etwas,
das ich nie gemocht habe
aber heute
würze ich
nicht nach rezept
sondern nach laune
und der wirsing
verliert sein gesicht
und bekommt
ein neues
zwischen
knoblauch
und ahnung
Anne Seltmann 11.05.2025, 07.16 | (1/0) Kommentare (RSS) | TB | PL
ich liebe das meer
sagst du, als wäre es
eine richtung.
ich liebe die weite,
die zwischen zwei wellen passt
wie atem zwischen zwei sätzen.
ich liebe die welle,
die ankommt,
auch wenn sie nur bricht.
das meer kennt keine uhrzeit
kein ende,
keinen grund,
nur dich,
wenn du hineinsiehst
und nicht zurückblickst.
~*~
© Anne Seltmann
Anne Seltmann 10.05.2025, 11.37 | (0/0) Kommentare | TB | PL
flieder, vielleicht
es war nicht der flieder
oder nicht nur
nicht das rosa
nicht das taumeln der rispen
über den zaun hinaus
in einen himmel
der nicht zu halten war
vielleicht war es
das licht,
wie es zögerte
auf der haut
einen schritt lang
zwischen zwei stimmen
zwischen zwei jahren
die nichts voneinander wussten
du hast gesagt:
er blüht wieder
und ich
hab nur genickt
als würde ich es verstehen
aber alles,
was ich verstand,
war dieser duft
der kam, blieb,
und dann ging.
~*~
© Anne Seltmann
Anne Seltmann 09.05.2025, 00.00 | (1/0) Kommentare (RSS) | TB | PL
Neulich in meinem Garten
stand eine Blume, die sprach,
mit einem Hauch von Geheimnissen,
in den Farben des Morgens.
Sie sprach von verborgenen Wegen,
von den Schattierungen der Stille,
von einem Moment, der zwischen den Blättern hing.
Ich lauschte – wie ein Flüstern
aus einer längst vergessenen Zeit.
Die Vögel, sie sangen,
doch ihre Lieder klangen anders,
nicht wie das übliche Summen
des Alltags,
sondern wie ein Echo aus der Ferne,
wie ein Versprechen.
Der Wind strich sanft durch das Gras,
und es war, als würde auch er sich erinnern
an etwas, das nie wirklich vergangen ist,
an die Zartheit, die die Erde birgt,
und an das Leben, das weiterfließt
wie ein Fluss aus Licht und Schatten.
Neulich in meinem Garten,
da war der Moment – er blühte auf,
verblasste wieder, aber ich fühlte ihn
in jedem Atemzug,
im sanften Beben des Bodens,
in der Stille, die zwischen den Zweigen stand.
Es war kein großes Ereignis.
Ein leises, kaum merkliches Zwiegespräch.
Doch es war genug,
genug, um die Zeit in einem einzigen Atemzug zu spüren,
genug, um für einen Augenblick zu wissen:
Auch das Unausgesprochene ist ein Teil
des großen Ganzen.
Anne Seltmann 08.05.2025, 08.27 | (0/0) Kommentare | TB | PL
[Bild KI generiert / Text © Anne Seltmann]
Feen, sagst du, sind Kinderdinge
aber ich sah sie
zwischen den brombeerblättern
mit händen wie schmetterlingsflügeln
und stimmen, die nicht sprachen
sondern pflanzen bewegten
sie standen auf pilzen,
balancierten auf grashalmen
als wäre schwerkraft
nur ein märchen für uns
ihre augen trugen wald
kein spiegel, nur tiefe
aus der etwas zu mir sah
was nicht fragte
sie nähten den regen
mit spinnfäden an die luft,
zogen den duft des abends
wie einen schleier
über offene felder
sie kannten namen
die wir vergessen haben
und wussten, wann eine ameise trauert
nur wenn wir ganz still sind
vielleicht
legen sie uns ein mooswort
ins ohr
und verschwinden wieder
bevor wir es
aussprechen können
~*~
© Anne Seltmann
Anne Seltmann 08.05.2025, 07.50 | (0/0) Kommentare | TB | PL
Still war das Meer
Jemand hatte das Papierboot gefaltet und aufs Wasser gesetzt –
ganz leise, fast so, als wolle man es nicht wecken.
Es war ein schlichtes Boot. Weiß. Ohne Namen. Ohne Flagge.
Nur kleine Farbtupfer an der Seite,
wie Blätter im Wind
je nachdem, wie man es betrachtete.
Das Wasser trug es fort.
Erst durch Pfützen, dann durch Bäche,
dann kam der Fluss,
und irgendwann kam das Meer.
Niemand hatte es darauf vorbereitet.
Das Plätschern war zu Brandung geworden,
der Himmel zu einem großen, atmenden Tier.
Das Papierboot trieb.
Es hatte kein Ziel.
Aber es hatte Zeit.
Es lauschte den Stimmen der Wellen,
die Geschichten von Schiffen erzählten,
die kamen und gingen,
von Menschen,
die zu viel wollten
und am Ende doch nur das Meer in sich trugen.
Manchmal regnete es.
Manchmal kam eine Wolke zu tief.
Manchmal sang eine Qualle ein Lied,
das niemand verstand,
aber alle fühlten.
Das Papierboot wurde blasser.
Weicher.
Durchsichtiger.
Aber es trieb weiter.
Und als der Morgen kam,
und das Licht wie ein Versprechen über die See strich,
war es verschwunden.
Nicht gesunken.
Nicht zerrissen.
Einfach fort.
Als hätte es sich
endlich selbst entfaltet.
~*~
© Anne Seltmann
Anne Seltmann 07.05.2025, 09.33 | (0/0) Kommentare | TB | PL
Tulpen Zeit
am rand der vase
ein zittern.
nicht blüte, nicht ganz stiel.
ein übergang.
sie standen in grellem rot
gestern noch
ein ausruf im raum
heute:
eine silbe zu viel,
ein neigen.
zwischen tischkante und licht
verbeugt sich der rest.
kein fallen, eher
ein lassen.
was ist schön
am aufhören?
das papier raschelt
am fenster.
jemand sagt:
es riecht nach vergangenem
und meint den frühling
~*~
© Anne Seltmann
Anne Seltmann 06.05.2025, 18.11 | (1/1) Kommentare (RSS) | TB | PL