Blogeinträge (Tag-sortiert)

Tag: Gedichte

Die singende Muschel







Als Kind sang eine Muschel

mir das Meer.

Ich konnte träumelang

an ihrem kühlen Munde lauschen.

 

Und meine Sehnsucht wuchs

und blühte schwer,

und stellte Wünsche und Gestalten

in das ferne Rauschen.


~*~

Francisca Stoecklin

1894 - 1931





12.12.2020, 17.29 | (1/0) Kommentare (RSS) | TB | PL

Himmelsblick N° #05




 N° #05




Du musst die Wolken schütteln,

sie streuen die Gaben des Sommerhimmels-

Liebe, Licht und Freude!


 ~*~


© Anne Seltmann



Heidis...




Anne Seltmann 19.07.2020, 09.13 | (2/0) Kommentare (RSS) | TB | PL

Das Kleeblatt






..Oh, wie ich mich freue, dass wieder ein Gedicht von mir 
in das Lyrik-Sammelband der Bibliothek 
deutschsprachiger Gedichte veröffentlicht wird.
Und natürlich (ganz ehrfurchtsvoll) will ich es euch nicht vorenthalten, 
obwohl es hier irgendwo im Archiv lagert.




Einst stand ein 
kleines Kleeblatt auf 
einer grünen Wiese.
Es sann darüber nach,
warum seine Brüder so 
besonders sein sollten.
Ja, sie besaßen ein Blatt mehr 
und was hieß das schon.
Dennoch verspürte 
es ein wenig Neid,
weil man unter den
Blumen sich zuraunte
sie brächten das Glück.
Glück, einzig allein
abhängig nur von 
einem einzigen Blatt?
Weil sie anders aussahen?
Das konnte und wollte
das kleine Kleeblatt
nicht verstehen!
Es reckte sein Köpfchen
in den Himmel,
lachte der Sonne entgegen
und dachte bei sich:
"Das ist Glück,
dass ich lebe!"





© Anne Seltmann






Anne Seltmann 27.08.2019, 17.23 | (6/1) Kommentare (RSS) | TB | PL

Projekt: Leben mit Büchern N° 20/2018


 N° #20/2018






Ich zitiere: 

"Ich werde immer wieder gefragt: Schreiben Sie auch größere Sachen? Nein, antworte ich, nur große." Diese großen Sachen bestehen meist aus einer oder zwei Zeilen und stellen die Welt auf den Kopf. Stanislaw Jerzy Lec, der "Lichtenberg des 20. Jahrhunderts", wurde als Verfasser der "Unfrisierten Gedanken" weltberühmt. Er ist das beste Beispiel dafür, dass für Weltruhm nicht immer ein voluminöses Werk vonnöten ist.

 

Dieses Buch liest sich nicht wie ein Roman, inhaltlich findet man Aphorismen, Epigramme, Minimalsatiren, Wortspielereien, geflügelte Worte, allerdings von sehr starkem Tiefsinn geprägt.

Stanisław Jerzy Lec ist nicht jedermanns Sache, ich finde ihn geradezu köstlich!



Hier ein paar Beispiele:

 















Anne Seltmann 11.07.2018, 06.13 | (5/0) Kommentare (RSS) | TB | PL

Vormittag am Strand









Es war ein solcher Vormittag,
wo man die Fische singen hörte,
kein Lüftchen lief, kein Stimmchen störte,
kein Wellchen wölbte sich zum Schlag.
Nur sie, die Fische, brachen leis
der weit und breiten Stille Siegel
und sangen millionenweis.



~*~



Christian Morgenstern



Anne Seltmann 27.06.2018, 09.42 | (1/0) Kommentare (RSS) | TB | PL

Sehnsucht nach der Sehnsucht?




Sehnsucht…

 

 

ist leben lechzendes Verlangen,

ein Hoffen und bangen

 

…ist ein Lachen ohne Glück,

ein Suchen Stück für Stück

 

… ist schlaflose Nacht bei Nacht,

verzehrend bis man erwacht

 

… ist eine traurige Melodie,

eine ungestillte Harmonie.

 

 

 ~*~

 

© Anne Seltmann

 



Anne Seltmann 18.03.2017, 10.52 | (2/0) Kommentare (RSS) | TB | PL

Wollte nicht der Frühling kommen?




Wollte nicht der Frühling kommen?
War nicht schon die weiße Decke
von dem Rasenplatz genommen
gegenüber an der Ecke?
Nebenan die schwarze Linde
ließ sogar schon (sollt ich denken)
von besonntem Märzenwinde
kleine, grüne Knospen schwenken.
In die Herzen kam ein Hoffen,
in die Augen kam ein Flüstern –
und man ließ den Mantel offen,
und man blähte weit die Nüstern …

Ja, es waren schöne Tage.
Doch sie haben uns betrogen.
Frost und Sturm und Schnupfenplage
sind schon wieder eingezogen.
Zugeknöpft bis an den Kiefer
flieht der Mensch die Gottesfluren,
wo ein gelblichweißer, tiefer
Schnee versteckt die Frühlingsspuren.
Sturmwind pfeift um nackte Zweige,
und der Rasenplatz ist schlammig.
In mein Los ergeben neige
ich das Auge. Gottverdammich!


~*~

Erich Mühsam 


Anne Seltmann 09.03.2016, 08.28 | (1/0) Kommentare (RSS) | TB | PL

Happy Monday




Über die Geduld

Man muss den Dingen
die eigene, stille
ungestörte Entwicklung lassen,
die tief von innen kommt
und durch nichts gedrängt
oder beschleunigt werden kann,
alles ist austragen – und
dann gebären…

Reifen wie der Baum,
der seine Säfte nicht drängt
und getrost in den Stürmen des Frühlings steht,
ohne Angst,
dass dahinter kein Sommer
kommen könnte.

Er kommt doch!

Aber er kommt nur zu den Geduldigen,
die da sind, als ob die Ewigkeit
vor ihnen läge,
so sorglos, still und weit…

Man muss Geduld haben

Mit dem Ungelösten im Herzen,
und versuchen, die Fragen selber lieb zu haben,
wie verschlossene Stuben,
und wie Bücher, die in einer sehr fremden Sprache
geschrieben sind.

Es handelt sich darum, alles zu leben.
Wenn man die Fragen lebt, lebt man vielleicht allmählich,
ohne es zu merken,
eines fremden Tages
in die Antworten hinein.

~*~


Rainer Maria Rilke


Anne Seltmann 26.10.2015, 06.27 | (0/0) Kommentare | TB | PL

Die Legende vom Tannenbaum





In der Bergpredigt, wie bei Matthäus zu lesen,
ist auch von Bäumen die Rede gewesen.
Der Heiland hatte gesagt, dass Feigen
nicht reifen könnten auf Distelzweigen,
dass Trauben nicht wüchsen am Dornenhange,
und dass der Baum, der nicht Früchte trage,
zu gar nichts wert erscheine auf Erden,
als abgehau'n und verbrannt zu werden.

Und als er geendet, da ist schon bald
ein Streiten entstanden im nahen Wald.
Die Disteln, welche die Rede gehört,
waren über die Maßen empört
und haben so recht überlegen gesagt:
"Wir haben noch immer den Eseln behagt!"
Die Dornen reckten die scharfen Spitzen
und sagten: "Das lassen wir nicht auf uns sitzen!"
Die gelben, aufgedunsenen Feigen
zeigten ein blasses blasiertes Schweigen,
und die Trauben blähten sich gar nicht schlecht
und knarrten geschwollen: "So ist es recht!"

Nur ein zierlicher Tannenbaum
stand verschüchtert, rührte sich kaum,
horchte nicht auf das Rühmen und Klagen,
hat sich still und bescheiden betragen
und dachte und dachte in einem fort
an des Heilandes richtende Wort'.
Er fühlte sich ganz besonders getroffen;
er hatte kein Recht, auf Gnade zu hoffen;
die erste Art musste ihn zerschlagen;
er wusste nur Tannenzapfen zu tragen;
Früchte hatte er nie gebracht,
das hat ihn niedergeschlagen gemacht.
Als sich nun aber die Sonne versteckt
und tiefes Dunkel die Erde deckt,
und, ermüdet vom Reden und Klagen,
die anderen Bäume im Schlummer lagen,
wollte er nichts von Schlummer wissen,
hat die Wurzeln aus dem Erdreich gerissen,
und unbemerkt in stiller Nacht
hat er sich still auf den Weg gemacht,
um nach dem strengen Heiland zu gehen
und milderes Urteil sich zu erflehen.

Und als er nach mühseligen Stunden
endlich den lang Gesuchten gefunden
und ihm sein Leid recht herzlich geklagt,
da hat der Heiland lächelnd gesagt:
"Wisse, dass seit Beginn der Welt
ein jeglicher Fluch seinen Segen enthält,
und dass in jeglichem Segensspruch
verborgen liegt ein heimlicher Fluch!
Den Feigen brachte nur Fluch mein Segen,
weil sie jetzt sündigen Hochmut hegen;
die Trauben haben mir nicht gedankt,
die haben sich nur mit den Dornen gezankt;
die Disteln ließen sich nicht belehren,
die konnten den Fluch nicht zum Segen kehren;
du aber hast dich besser bedacht!
Du hast aus dem Fluch einen Segen gemacht!
Und dein Bittgang sei nicht umsonst gewagt!
Zwar - was gesagt ist, da bleibt gesagt!
Dein Schicksal ist jetzt nicht mehr zu trennen
vom Abhau'n und im-Ofen-verbrennen;
aber: Ich will dich erheben und ehren,
ich will einen rühmlichen Tod dir bescheren!
Dich soll kein Winterschlaf traurig umschließen!
Ein doppeltes Leben sollst du genießen!
Und auf deinen zierlichen Zweigen
sollen die herrlichsten Früchte sich zeigen,
soll man Lichter und Zierrat schau'n!
Freilich - erst wenn du abgehau'n!
Sei wie ein Held, der für andere leidet,
der in blühender Jugend strahlend verscheidet!
Damit dein Leben, das kurz, doch reiche,
meinem irdischen Wandel gleiche!
Du sollst ein Bote des Friedens sein!
Du sollst glänzen wie ein Heiligenschein!
Den Kindern sollst du Freude verkünden!
Den Sündern wecken aus seinen Sünden!
Gesang und Jubel soll dich umtönen!
Mein liebstes Fest sollst du lieblich verschönen!
So bist du von allen Bäumen hienieden
der gesegnetste! - Zieh hin in Frieden!"


~*~



Friedrich Wilhelm Güll 

(1812-1879)


Anne Seltmann 25.12.2014, 19.32 | (0/0) Kommentare | TB | PL

Vom Hahn






Ich wünscht ich wär ein Gockelhahn,
Dann säß ich auf dem Zaune,
Und krähte meine Hühner an,
in aller bester Laune

Ich wünscht ich wär ein Kirchturmhahn,
dann säß ich auf dem Turme
Schaut’ mir die Welt von oben an
und drehte mich im Sturme

Und wenn ich gar ein Fasshahn wär,
und wär das Faß am laufen
würd’ ich ganz und schrecklich sehr
mich tag und nacht besaufen


~*~


Heinrich Seidel



Anne Seltmann 03.05.2013, 10.35 | (0/0) Kommentare | TB | PL