Tag: Gedicht
Die Straße
Nicht die Länge ist es,
die dich trägt,
sondern der erste Schritt,
der leise Atem
in deinem Sein.
Vergiss die Ferne,
vergiss das Ende,
nur der nächste Hauch
gehört dir.
Ein Strich der Zeit,
ein stiller Flügelschlag,
und alles wächst
aus deinem Vertrauen.
So löst sich die Straße auf,
während du gehst –
in Licht,
in Stille,
in dich selbst.
~*~
© Anne Seltmann
Anne Seltmann 22.04.2025, 16.27 | (0/0) Kommentare | TB | PL
Die Erde summt
unter dem Gewicht der ersten Knospen,
streckt ihre Adern
in das helle Blau.
Zwischen Stein und Staub
atmet neues Leben,
leise,
unbeirrt,
wie ein Versprechen im Licht.
Und jeder Schritt auf ihr
ist ein Flüstern:
Alles beginnt,
immer wieder,
aus einem einzigen Tropfen Mut.
~*~
© Anne Seltmann
Anne Seltmann 22.04.2025, 08.24 | (1/1) Kommentare (RSS) | TB | PL
Tausende Tropfen aus Licht
verhaken sich im Grau,
ziehen Spuren
über mein wachendes Herz.
Die Minuten fallen
ineinander,
ohne Laut,
ohne Richtung.
Ich atme sie ein,
ich lasse sie gehen,
und bleibe
ein Augenblick lang.
~*~
© Anne Seltmann
Anne Seltmann 21.04.2025, 08.11 | (1/1) Kommentare (RSS) | TB | PL
Anne Seltmann 19.04.2025, 13.54 | (2/2) Kommentare (RSS) | TB | PL
Sie wachsen dort,
wo niemand sie erwartet.
Zwischen Kies,
unter den Füßen der Gedanken,
unbeirrt.
Ein weißer Blick zum Himmel,
ein gelbes Flüstern aus der Mitte.
Sie kennt kein Groß,
kein Laut.
Nur das Dasein –
klar,
still,
leicht.
Manche nennen sie unscheinbar,
doch sie trägt den Sommer
auf der Zunge.
~*~
© Anne Seltmann
18.04.2025, 08.30 | (1/0) Kommentare (RSS) | TB | PL
Karfreitag ist der Tag,
an dem das Leben sich selbst hingegeben hat,
nicht aus Schwäche,
sondern aus Liebe.
Es ist der Riss im Gewebe der Welt,
durch den neues Licht dringen kann.
Ein Tag, der uns zeigt:
Manchmal muss etwas sterben,
damit etwas Größeres geboren werden kann.
Nicht als Strafe,
sondern als stiller Schwur,
dass Liebe selbst den Tod überdauert.
Karfreitag gibt es,
damit wir verstehen:
Jeder Neubeginn trägt das Echo eines Opfers,
und jede Hoffnung wurzelt
im Mut, loszulassen.
~*~
© Anne Seltmann
Anne Seltmann 18.04.2025, 06.02 | (0/0) Kommentare | TB | PL
Die Rituale einer Katze
Morgens,
wenn das erste Licht an der Wand wandert,
sitzt sie schon da.
Stumm, erwartend,
neben der Tür,
die du gleich öffnen wirst.
Der Tag beginnt nicht mit deinem Wecker,
sondern mit ihrem Blick.
Sie streckt sich langsam,
eine Bewegung wie aus Seide,
zieht die Krallen aus dem Schlaf,
schleift sie am Teppich,
nicht aus Ungehorsam,
sondern weil es so sein muss.
Der Napf wird geprüft,
selbst wenn er gerade gefüllt wurde.
Ein Hauch Geruch entscheidet
über Wohlwollen oder Missachtung.
Dann der Weg ans Fenster,
die Welt dort draußen
wird kontrolliert:
Ein Vogel,
ein Blatt,
ein Mensch,
alles wird notiert
im unsichtbaren Buch ihrer Ordnung.
Mittagschlaf –
aber nur dort,
wo das Licht am wärmsten fällt.
Am Nachmittag
das Spiel mit dem Unfassbaren:
ein Staubkorn,
ein Sonnenfleck,
der eigene Schweif.
Gegen Abend
der stumme Appell:
Es ist Zeit.
Zeit für Nähe,
für das leise Streichen um deine Beine,
für ein Nicken,
dass der Tag gut war.
Und nachts,
wenn du längst schläfst,
wandert sie durch das Haus
wie eine Erinnerung
an etwas Altes,
Instinktives,
das du nie ganz begreifen wirst.
Anne Seltmann 15.04.2025, 00.00 | (3/1) Kommentare (RSS) | TB | PL
Wir brennen uns Worte auf die Haut
mit der Glut unserer Blicke
kein Laut ist so nah wie dein Schweigen,
wenn es sich an mein Ohr legt
Wir reißen die Luft auf
wie Seide zwischen den Zähnen
deine Stimme ein Sturm in meiner Brust
der mich aufwühlt und zurückwirft
in dich
Zwischen Kuss und Atem
zählt mein Herz
deine unsagbaren Namen
und legt sie unter meine Rippen
Wir taumeln durch das ungesagte
als wäre es ein Bett aus Feuer
und lieben uns
in einer Sprache,
die sich nur in glühenden Spuren
lesen lässt
~*~
© Anne Seltmann
Anne Seltmann 13.04.2025, 14.49 | (2/0) Kommentare (RSS) | TB | PL
Sie sitzen da,
wie wartende Geschichten
aus Korb und Küste geflochten,
mit Lehne, die den Wind kennt
und Polster, die das Salz schmecken.
Sie wissen vom ersten Sonnenstrahl,
vom heimlichen Nickerchen im Halbschatten,
von Kinderlachen, das in ihren Seitentaschen klebt
und von Gesprächen,
die leiser wurden als das Meer.
Wenn der Abend kommt,
ziehen sie sich das Dach tiefer ins Gesicht
und lauschen dem Sand,
wie er die Zeit
zwischen ihren Füßen weiterträgt.
~*~
© Anne Seltmann
Anne Seltmann 13.04.2025, 06.05 | (3/3) Kommentare (RSS) | TB | PL
Am Samstag roch die Küche nach Seife und Dampf,
der Herd glühte leise, das Wasser schwappte schwer in die Zinkwanne.
Ein kleines Meer mitten im Alltag,
in dem die Woche von den Schultern glitt.
Die Mutter prüfte die Temperatur mit der Hand,
der erste durfte rein, das Wasser war klar wie ein Versprechen.
Der Letzte tauchte in Geschichten,
die schon vom Seifenschaum erzählt wurden.
Die Haare dufteten nach Kernseife,
die Haut nach Wärme und Geborgenheit.
Und wenn draußen der Abend sank,
wartete der Sonntag – mit frisch geföhnten Träumen.
~*~
© Anne Seltmann
Anne Seltmann 12.04.2025, 06.37 | (3/3) Kommentare (RSS) | TB | PL