Tag:
Es war eine kleine orange gestromte Katze, die jeden Tag denselben Platz wählte – das Fensterbrett im Wohnzimmer, direkt mit Blick auf die Straße. Schon lange bevor ihre Besitzerin von der Arbeit heimkam, saß sie dort, die Pfoten ordentlich unter dem Bauch gefaltet, den Schwanz wie eine Kommapause um sich geschlungen.
Die Nachbarn wussten längst Bescheid. Wer an dem Haus vorbeiging, sah das stille Ritual: die Katze reglos, nur die Ohren zuckten manchmal, wenn ein Auto kam oder Schritte näherkamen. Doch erst, wenn ein bestimmtes Lächeln hinter der Haustür auftauchte, veränderte sich etwas. Dann sprang sie wie ein kleines Feuerwerk vom Fensterbrett, lief zur Tür und begrüßte ihren Menschen mit einem freudigen Mauzen, das klang, als würde die ganze Wohnung atmen vor Glück.
30.07.2025, 06.37 | (1/0) Kommentare (RSS) | TB | PL
Wortvorgaben für das 100 Wörter-Drabble:
Lanze + erwidern + streng
Die Sonne sank blutrot hinter den Hügeln, als sie ihm gegenübertrat. In ihrer Hand glänzte die Lanze, nicht erhoben, nur bereit. "Sag etwas", flehte er, die Stimme bebend wie ein verletztes Tier. Doch sie schwieg, die Augen streng auf ihn gerichtet, als könnte ein falsches Wort die Welt zerreißen. Er wagte zu erwidern, dass er nicht zum Kampf gekommen sei, sondern um Frieden zu bitten, dass sein Herz schwerer sei als jede Rüstung. Für einen Atemzug stand alles still, selbst der Wind hielt den Atem an. Dann senkte sie langsam die Waffe, und der Abend atmete gemeinsam mit ihnen auf.
Anne Seltmann 29.07.2025, 16.06 | (4/0) Kommentare (RSS) | TB | PL
Die Löwenmäulchen standen damals im Garten meiner Mutter, (es waren ihre Lieblingsblumen) nicht laut, nicht prahlend, sondern wie stille Begleiterinnen eines sanften Lebens. Sie neigten ihre Köpfe, wenn der Wind vorbeizog, als wollten sie ein altes Geheimnis bewahren. Meine Mutter pflückte sie nicht oft, sie ließ sie lieber blühen, damit ihre Farben leise von der Zeit erzählen konnten—von Tagen voller Sonne und Nächten voller Sterne.
Manchmal, wenn die Welt zu laut wurde, ging sie hinaus, legte die Hand sanft auf die Blüten und spürte, wie eine leise Melodie ihr Herz füllte. Eine Melodie von Erinnerung und Liebe, die auch heute noch in den Löwenmäulchen weiterklingt—ein Flüstern, das mir zuflüstert, dass jene zarten Blüten mehr sind als nur Blumen. Sie sind die Seele eines stillen Morgens, eines unvergesslichen Moments, der niemals vergeht.
die löwenmäulchem meiner mutter
standen nie laut im raum
sie waren ein leises leuchten
eine sprache ohne biss
nur ein atemzug in rosa und weiß
ihre stängel hielten das licht
als wüssten sie wie zerbrechlich
zeit in händen wird
wie sehr man etwas festhalten möchte
das längst anfängt zu gehen
ein sommer lag darin
und eine stille die nicht schmerzte
nur den himmel bat
bleib noch
bleib noch ein bisschen länger
~*~
© Anne Seltmann
Anne Seltmann 29.07.2025, 14.24 | (3/1) Kommentare (RSS) | TB | PL
Kiel mal anders – oben ohne durch die Fördestadt
Seit 46 Jahren lebe ich nun schon in Kiel – damals bin ich von Krefeld hierher gezogen. In all den Jahren habe ich die Stadt auf meine eigene Weise erkundet: zu Fuß, mit dem Rad, mal zielstrebig, mal verträumt. Immer allein, immer auf meine Art. Und doch gibt es einen Klassiker, den ich bisher nie ausprobiert habe: die Rundfahrt mit dem roten Doppeldeckerbus.
Cabrio-Feeling unter der Sonne, geschützt bei Regen – so lässt sich Kiel stilvoll entdecken. In rund 70 Minuten rollt der Bus mit 360-Grad-Panorama-Blick durch die Stadt und zeigt ihre touristischen Highlights aus luftiger Vier-Meter-Höhe. Per Audio-Kommentar gibt's dazu allerlei Wissenswertes direkt ins Ohr.
Vielleicht ist ja tatsächlich etwas dabei, das mir in all den Jahren noch nicht begegnet ist. An den Haltestellen kann man jedenfalls entspannt ein- und aussteigen – und vielleicht ist das ja genau die Gelegenheit, sich mal treiben zu lassen. Kiel mit neuen Augen sehen – auch nach 46 Jahren.
Anne Seltmann 29.07.2025, 06.34 | (3/1) Kommentare (RSS) | TB | PL
Stein auf Stein – warum * LEGO mehr ist als nur Spielzeug
Es gibt Dinge, die altern nie – LEGO ist eines davon. Wer einmal mit diesen kleinen, bunten Steinen gebaut hat, weiß: Es ist kein bloßes Spiel, sondern ein Weltenschöpfen im Miniformat.
Ich erinnere mich noch gut an die stundenlangen Bauphasen meiner Kindheit – Türme, die wackelten, Raumschiffe, die keine Funktion, aber viel Fantasie hatten. Irgendwann sortierte man die Steine nach Farben, dann nach Formen, dann warf man alles wieder in eine große Kiste und fing von vorn an. Ordnung? Zwecklos. Aber glücklich? Oh ja.
Heute hat LEGO noch immer diesen Zauber – vielleicht sogar mehr denn je. Es ist ein kreativer Ausgleich, ein Rückzugsort aus der digitalen Welt, ein handfestes Basteln in einer Zeit, die oft nur noch wischt und tippt. Und seien wir ehrlich: Wer einmal einen LEGO-Bausatz für Erwachsene angefangen hat, weiß, dass Geduld, Konzentration und ein bisschen Tüftlergeist nötig sind – fast wie Meditation mit Klickgeräuschen.
Und was mich besonders fasziniert: LEGO ist längst Kunst geworden. Es gibt Skulpturen, Mosaike, ganze Städte aus Steinchen. Manche erschaffen ihr eigenes Miniaturmuseum oder bauen ikonische Szenen der Filmgeschichte nach – Stein für Stein. Wie wunderbar, wenn Kindheitsträume nicht alt werden, sondern einfach weiterwachsen.
Vielleicht ist LEGO deshalb so beliebt – weil es uns erlaubt, gleichzeitig Architekt, Geschichtenerzähler, Künstler und Kind zu sein.
Also: Warum nicht mal wieder die Kiste hervorkramen? Es muss ja kein Schloss werden. Manchmal reicht ein einziger Stein, der etwas in Bewegung setzt.
Übrigens: Der Name LEGO stammt aus dem Dänischen und ist eine Abkürzung von "leg godt", was so viel bedeutet wie "spiel gut".
Fun Fact:
Als der Name 1934 vom Gründer Ole Kirk Christiansen erfunden wurde, wusste er noch nicht, dass "lego" auf Latein auch "ich setze zusammen" bedeutet – ein perfekter Zufall, der zum Bausystem wie die Faust aufs Auge passt!
Anne Seltmann 28.07.2025, 10.02 | (3/0) Kommentare (RSS) | TB | PL
Gesehen in Flensburg, als ich mit den Enkelbuben in der * Phänomenta war.
Das Phänomen, Schuhe über Seile, Stromleitungen oder gespannte Leinen zu werfen – oft "Shoefiti" genannt, ein Kofferwort aus Shoe und Graffiti – ist weltweit verbreitet, aber die Gründe dafür sind so vielfältig wie die Menschen, die sie werfen.
Eine eindeutige Antwort gibt es nicht auf die Frage, warum das Menschen tun, aber viele Deutungen und Theorien. Hier sind die wichtigsten:
Manche sagen: Es ist ein Abschiedsritual.
Andere behaupten: pure Rebellion.
Oder ein stilles Gedenken.
Wieder andere sehen Kunst darin – und vielleicht ist es genau das:
Ein Zeichen ohne Bedienungsanleitung.
In den USA sollen solche Schuh-Leinen früher als
Reviermarkierung oder geheimer Code gedient haben.
Heute aber scheint es mir eher ein Spiel geworden zu sein. Ein Bild.
Eines, das hängen bleibt – im Wortsinn.
Ich hatte übrigens schon einmal >> Teebeutelkunst << auf meinem Blog – auch das ein Alltagsgegenstand mit überraschendem Doppelleben. Jetzt also Schuhe in luftiger Höhe. Wer weiß, was als Nächstes auftaucht: Zahnbürsten im Baum? Taschenlampen im Blumentopf?
Was bleibt:
Ich mag solche Fundstücke.
Sie erzählen keine fertigen Geschichten – aber sie laden uns ein, selbst eine
zu erfinden.
Und vielleicht ist das die schönste Art, Kunst zu begegnen: mitten im Alltag,
ohne Eintrittskarte.
[*Namensnennung mit Verlinkung...unbeauftragt und unbezahlt]
Anne Seltmann 26.07.2025, 08.47 | (1/0) Kommentare (RSS) | TB | PL
[KI generiertes Bild / Text © Anne Seltmann]
die stille steht schon
im badezimmer und wartet
auf den ersten tropfen
ich ziehe mich aus
wie eine zwiebel,
blättrig, schlafwarm,
die woche klebt noch
zwischen meinen zehen
der schaum spricht in blasen
und nennt mich beim vornamen
ich nicke
am wannenrand lehnen blumen
aus dem vorgarten der erinnerung
sie schauen mich an
als wüssten sie
was ich vergessen will
alles ist erlaubt
unter wasser
auch das vergessen
auch das gurgeln von sorgen
durch den abfluss in die tiefe
wo niemand fragt,
ob ich fertig bin
ich wasche die tage ab
die an mir hingen
wie zu enge jacken
und finde darunter
einen körper
der einfach nur
sein will
die fliesen zählen meine atemzüge
eins zwei drei vier
einatmen
weiterleben
ausatmen
heute ist samstag
und ich gehöre mir
~*~
© Anne Seltmann
Anne Seltmann 26.07.2025, 06.05 | (1/0) Kommentare (RSS) | TB | PL
Erinnerst du dich an das Leben vor dem Internet?
Ich erinnere mich an die Zeit, bevor alles begann zu rauschen – bevor Nachrichten auf Bildschirmen flimmerten und Worte in Eile verloren gingen.
Damals roch ein Tag nach frisch gedrucktem Papier, nach Bleistift und Pausenbrot. Gespräche hatten Pausen, Gedanken durften atmen.
Wenn meine Lieblingstante aus Trier kam, brachte sie Gummibärchen mit – jedes Mal. Selbst zu meiner Hochzeit. Diese kleinen bunten Wesen waren mehr als nur Süßigkeiten. Sie waren ein Versprechen: dass sich manche Dinge nicht ändern, solange man daran glaubt.
Ich schrieb Briefe, keine Mails. Schlug Wörter im Duden nach, nicht in einer Suchmaschine. Und wenn ich jemandem etwas sagen wollte, ging ich hin – mit klopfendem Herzen. Kein Tippen, kein "Online-Status". Nur der Mut, einander wirklich zu begegnen.
Die Welt war langsamer, ja – aber sie hatte Tiefe. Ich konnte stundenlang durch einen Buchladen streifen, Zeilen lesen, mich verlieren in der Stille zwischen den Seiten. Worte hatten Gewicht. Und Grußformeln waren keine Abkürzungen.
Kinder bauten Höhlen aus Decken, keine Avatare. Ich beobachtete sie oft – wie sie mit staubigen Knien den Himmel eroberten, in Pfützen sprangen und Geschichten erfanden, ohne dass jemand sie ihnen vorsetzte.
Am Meer – meinem stillen Zufluchtsort – war nichts digital. Der Wind spielte mit meinem Haar, der Sand war weich, und jedes Muschelsammeln eine kleine Expedition. Ich sprach mit den Wellen, als wären sie alte Bekannte.
Heute rauscht es überall. Doch manchmal, wenn ich still werde, spüre ich dieses Früher noch – wie eine Melodie, die nur erklingt, wenn man ihr wirklich zuhört.
Anne Seltmann 25.07.2025, 17.42 | (6/0) Kommentare (RSS) | TB | PL
Ich wollte informiert sein. Also abonnierte ich Newsletter. *Kieler Nachrichten, *Rheinische Post, *ZEIT. Seriosität in der Hosentasche, dachte ich. Was ich bekam: den Feuilleton gewordenen Alarmknopf.
Vor allem die *Rheinische Post scheint im Dauerstress zu leben. Jede zweite Pushnachricht beginnt mit **EILMELDUNG** – ein Begriff, der einst für Anschläge, Naturkatastrophen oder Staatskrisen reserviert war.
**EILMELDUNG!**
*Ozzy Osbourne ist tot!
Sekunden später das Update: die Menschheit trauert.
Ja…und?
Oder:
**EILMELDUNG!**
Der Wrestling-Star *Hulk Hogan ist tot. Mit seinem markanten "Hulkmania"-Look usw. und seinem energieaufgeladenen Auftreten wurde er in den 1980er und 1990er Jahren zur Legende.
Was für eine legendäre Nachricht!!!
Wer solche Meldungen ins Eilmeldungsformat packt, sollte dringend seinen journalistischen Kompass neu kalibrieren. Oder ihn wenigstens entstauben.
Das wahre Drama ist nicht die Schlagzeile – es ist die Abstumpfung. Wenn alles wichtig ist, ist nichts mehr wichtig. Und wenn Hulk Hogan die Republik in Atem hielt, während echte Themen auf Seite 37 verschwinden, dann wird nicht nur der Leser für dumm verkauft – sondern die Idee von Journalismus gleich mit.
Abspann gefällig?
Wenn das die Zukunft der Nachricht ist, dann wünsche ich mir Brieftauben
zurück. Die hatten wenigstens Stil. Und Wichtigeres zu berichten.
[*Namensnennung...unbeuaftragt und unbezahlt]
Anne Seltmann 25.07.2025, 16.29 | (3/0) Kommentare (RSS) | TB | PL
Kunst aus Knöpfen – kleine Kreise mit großer Wirkung
Es gibt Materialien, die im Alltag leise nebenherlaufen. Sie halten Hemden zusammen, sitzen auf Kissenhüllen oder klackern in der Nähkiste unserer Großmütter: Knöpfe. Kleine Kreise mit Löchern, oft übersehen – und doch voller Geschichten.
In der Kunst haben sie sich ihren Platz eher heimlich erobert. Nicht laut, nicht vordergründig – aber doch mit Nachdruck. Wer genau hinsieht, entdeckt in den Werken mancher Künstlerinnen ein ganzes Universum aus Farben, Formen und Erinnerungen – zusammengesetzt aus Knöpfen.
Eine, die diese Sprache meisterlich spricht, ist * Jane Perkins aus Großbritannien. Sie nimmt das, was andere wegwerfen – Plastikteile, Perlen, Spielzeugreste – und macht daraus Porträts. Bekannte Gesichter wie Mandela, Einstein oder die Queen erscheinen bei ihr wie aus Kindheitsschubladen zusammengesetzt. Und mittendrin: Knöpfe. Sie glänzen, sie leuchten, sie verbinden.
Auch die amerikanische Künstlerin * Lisa Kokin arbeitet mit Knöpfen – allerdings auf ganz andere Weise. Ihre Werke wirken stiller, nachdenklicher. Oft näht sie sie auf Papier oder Stoff, kombiniert sie mit Textfragmenten und lässt so zarte Gedankenbilder entstehen. Ihre Kunst fragt: Wer sind wir, wenn wir erzählen? Und was bleibt, wenn alles gesagt ist?
Natürlich gibt es noch viele andere – teils namenlos, teils verwurzelt in der DIY- oder Textilkunstszene. Knopfkunst ist oft auch eine Geste des Erinnerns. Wie ein leises"Ich war da", festgenäht in Stoff, verwoben mit Geduld und Zeit.
Mich erinnert das an meine eigene Knopfkiste. Vielleicht hast du auch so eine – irgendwo ganz unten in einer Schublade. Wer weiß, was sich daraus noch machen lässt?
[*Namensnennung... unbeauftragt und unbezahlt!]
Anne Seltmann 25.07.2025, 05.45 | (3/0) Kommentare (RSS) | TB | PL