Tag: gedicht
zwischen zwei atemzügen
kommt ein flieger
aus falten gemacht
aus dem, was man
nicht mehr sagen konnte
sie schaut ihm nach
mit diesen augen
die alles verstehen
was nie geschrieben wird
eine botschaft landet
auf ihrem kleid
„liebe“ steht da
nur das wort –
keine erklärung
der wind nimmt
was bleibt
und sie
bleibt auch
Anne Seltmann 31.05.2025, 05.42 | (0/0) Kommentare | TB | PL
und da liegt sie
weiß wie nicht gewollt
wie noch nicht gefunden
zwischen tintenatem und
dem zittern der hand
eine seite ist
nicht nichts
sie ist atemzug vor dem wort
das sich duckt
in den rändern der möglichkeit
du siehst sie
aber sie sieht dich auch
und fragt:
wer bist du
wenn ich dich noch nicht halte
vielleicht ist leere
nur eine andere form
von zuhören
vielleicht ist sie
die weichste form
von schreien
~*~
© Anne Seltmann
Anne Seltmann 30.05.2025, 14.35 | (0/0) Kommentare | TB | PL
vielleicht war da ein staubkorn
auf dem fenstersims der erinnerung
das fliegen wollte,
nicht zurück,
sondern dorthin,
wo zimmerdecken sternenhimmel waren
und die luft nach geborgenem staunen roch
die schuhe zu groß
und doch barfuß durchs gras,
weil pflastersteine nur dornen waren
in einem königreich voller
unvernunft und zuckerwatte
ich hatte keine uhr
nur den sonnenstand im haar,
das mittagsgold auf dem teppich
war das geheimnis der zeit
und niemand fragte nach morgen
ich war das licht hinter den gardinen
das murmeln im wasserglas
die frage ohne antwort
und manchmal
die antwort,
bevor jemand gefragt hatte
vielleicht ist kindsein
ein wort,
das sich jedes mal neu schreibt,
wenn ich mich vergesse
und mit geschlossenen augen
schaukle
~*~
© Anne Seltmann
Anne Seltmann 27.05.2025, 13.40 | (1/1) Kommentare (RSS) | TB | PL
nichts kommt
außer der wind
zwischen den zügen
die anzeige flackert
wie eine erinnerung
an bewegung
menschen stehen
in ihren körpern
als wären sie nur vorübergehend
hier
im dazwischen
kaffee
in pappbechern
trinkt sich lauwarm
in die stille
irgendwo schreit ein kind
als wolle es
den fahrplan umschreiben
ich zähle sekunden
wie schritte
die keiner geht
und stelle fest:
mein warten
hat keinen anschluss
~*~
© Anne Seltmann
Anne Seltmann 24.05.2025, 06.51 | (1/0) Kommentare (RSS) | TB | PL
Alles bloß Theater, sagen sie,
als wär das Leben nur ein Stück,
ein Drehbuch mit Rollen, Applaus und Licht,
doch oft genug fehlt der Regisseur.
Man spielt seine Szene, Tag für Tag,
mal Hauptrolle, mal Statist.
Zwischen Scheinwerferglanz und Schatten
liegt das wahre Leben – unerprobt, echt und laut.
Da sind die Momente, die keiner sieht,
wenn der Vorhang fällt und du allein bist.
Wenn keine Maske mehr hält,
und das Herz einfach atmet, ganz ohne Skript.
Das wahre Leben ist kein fertiges Stück,
es stolpert, lacht, weint und sucht sich neu.
Und wenn du deine Rolle findest,
die dich erfüllt und wirklich trägt,
dann ist alles bloß Theater –
aber das echte, deine Bühne,
das Leben, das wirklich lebt.
~*~
© Anne Seltmann
Anne Seltmann 23.05.2025, 16.03 | (0/0) Kommentare | TB | PL
sie wachsen
als hätten sie nie
etwas anderes getan
mit dem mut
den dornen machen
wenn man sich trotzdem
öffnet
ihre farbe
keine festlegung –
nur ein vorschlag
an das licht
sie duften
wie erinnerung
an etwas
das man noch erleben wird
ich beuge mich zu ihnen
nicht aus ehrfurcht
sondern weil
sie einlädt
nicht zu blühen
für mich
sondern mit mir
Anne Seltmann 20.05.2025, 14.23 | (2/0) Kommentare (RSS) | TB | PL
deine hand auf meiner
ist kein versprechen
sondern ein hauch von möglichkeit
wie ein vogel,
der kurz landet
um dann weiterzufliegen
ich atme dich ein
nicht, um dich festzuhalten
sondern um dich zu spüren
in jedem flügelschlag
du bist das leise lachen
in meinem morgen
das licht, das sanft
durch die vorhänge fällt
ich liebe dich
nicht als ziel
sondern als weg
der sich öffnet
mit jedem schritt
~*~
© Anne Seltmann
1997
Anne Seltmann 18.05.2025, 08.49 | (0/0) Kommentare | TB | PL
ich halte sie
nicht fest
nur so,
dass sie weiß: ich bin da
sie sieht durch
alles hindurch
mein atem still,
ihre bewegung ein zucken
gegen die welt
meine hand lernt
wie sich bleiben anfühlt
wenn man fliegen könnte
ich sage nichts
vielleicht
bleibt sie
~*~
© Anne Seltmann
Das Gedicht kann als Metapher gelesen werden für viele zwischenmenschliche Beziehungen oder für den Umgang mit etwas Kostbarem, das sich nicht einfangen lässt:
– ein Kind, das loslassen lernt
– ein geliebter Mensch, der gehen könnte
– ein kreativer Moment, der sich nicht erzwingen lässt
– Vertrauen, das nur wächst, wenn man nichts verlangt
Anne Seltmann 17.05.2025, 09.58 | (0/0) Kommentare | TB | PL
der goldfisch
träumt von flussläufen
aus porzellan
er kennt
nur den rand
als grenze
und spiegel
Anne Seltmann 16.05.2025, 05.46 | (3/2) Kommentare (RSS) | TB | PL
Am Ufer
der fluss sagt nichts
und erzählt doch alles
was vergeht
hütten
ducken sich ins grün
als wollten sie
übersehen werden
der steg
ein satz ohne punkt
offen ins wasser geschrieben
auf der bank
der abdruck
von jemandem
der vielleicht du warst
~*~
© Anne Seltmann
Anne Seltmann 14.05.2025, 07.24 | (1/0) Kommentare (RSS) | TB | PL