Blogeinträge (Tag-sortiert)

Tag: P

Die kleine Meerjungfrau und das Flüstern der Tiefe




[Bild KI generiert / Text © Anne Seltmann]


In den tiefsten blauen Wassern, wo das Sonnenlicht nur noch flüsternd hinabfällt, lebte eine kleine Meerjungfrau namens Liora. Anders als ihre Schwestern, die mit den Wellen spielten und den Meeressternen nachjagten, hörte Liora vor allem auf das Flüstern der Tiefe. Dort, wo die Stille wohnte und Geheimnisse verborgen lagen.

Liora träumte nicht von der Welt der Menschen – nicht von Palästen und glänzenden Kronen. Ihr Herz sehnte sich nach dem Verstehen, nach einer Stimme, die ihr mehr erzählte als nur Geschichten von Land und Luft. Die Tiefe sprach zu ihr von uralten Dingen: vom Puls der Erde, von versunkenen Welten und vergessenen Träumen.

Eines Tages, als ein Sturm die See aufwühlte und die Wellen wie Berge tanzten, hörte Liora ein leises Rufen. Es kam von einem kleinen, verletzten Vogel, der auf einer treibenden Holzplanke gefangen war. Vorsichtig rettete sie das zitternde Wesen und brachte es in ihre schützende Höhle.

Der Vogel erzählte von einer Welt, in der Himmel und Erde sich berühren, von der Freiheit des Fliegens und von dem Wunsch, Neues zu entdecken. Liora spürte eine leise Sehnsucht, die sie nie gekannt hatte – nicht nach einem Prinzen, sondern nach dem Mut, ihren eigenen Weg zu finden.

Sie wusste, sie musste hinaus – nicht um Land zu erobern, sondern um Brücken zu bauen. Brücken zwischen den Welten, zwischen Wasser und Luft, zwischen Stille und Klang.

So verabschiedete sich Liora von der Tiefe, mit dem Vogel an ihrer Seite, und begann ihre Reise in die unbekannte Welt – nicht als Prinzessin, sondern als Wanderin, die das Flüstern der Tiefe in sich trug und die Sehnsucht, die Welten zu verbinden.




Anne Seltmann 26.05.2025, 08.22 | (0/0) Kommentare | TB | PL

MosaicMonday N° 70




N° 70




"Zwischen den Gräbern wächst das Erinnern wie Efeu – leise, lebendig, unbeirrbar."

© Anne Seltmann



Père-Lachaise – ein Spaziergang unter den stillen Stimmen (2008+2013)


Es gibt Orte, die sich nicht in wenigen Worten fassen lassen.
Père-Lachaise ist so einer. Ein Friedhof – ja. Und doch viel mehr als das. Für mich ist er ein stilles Kapitel Paris', geschrieben in Stein, Moos und Erinnerung.

Ich liebe diesen Ort. Die geschwungenen Wege, die sich zwischen alten Gräbern und Mausoleen verlieren. Die Ruhe, die in der Luft liegt, wie ein zarter Schleier über den Stimmen der Vergangenheit. Die Skulpturen, Engel und Figuren, die trauern, hoffen, wachen – und dabei fast lebendig wirken.

Es sind nicht nur die berühmten Namen, die mich anziehen.Nicht nur Oscar Wilde, Simone Signoret oder Jim Morrison. Es sind die kleinen Gräber dazwischen, die mit ebenso viel Liebe gepflegt werden.Ein altes Schwarz-Weiß-Foto, eingerahmt von Efeu.  Ein handgeschriebener Zettel, verwittert, aber lesbar. Ein Kieselstein auf einem Grabstein – Zeichen eines Besuchs, einer Erinnerung.

Ich verliere mich gern dort. Nicht im traurigen Sinne –sondern in einer Art kontemplativem Schauen.
Ein Spaziergang über Père-Lachaise ist für mich wie das Lesen eines Gedichtbands, dessen Verse in Stein gemeißelt sind.

Jeder Schritt erzählt. Jede Figur hält inne. Und die Zeit – sie scheint für einen Moment stillzustehen.

Ich gehe langsam, lasse mich treiben. Manchmal setze ich mich auf eine Bank,lausche den Vögeln, dem Rascheln der Blätter,
und denke:  Was für ein schöner Ort, um das Leben zu erinnern!








Anne Seltmann 26.05.2025, 05.58 | (4/0) Kommentare (RSS) | TB | PL

Vom warten



[KI generiertes Bild / Text Anne Seltmann]





nichts kommt

außer der wind

zwischen den zügen

 

die anzeige flackert

wie eine erinnerung

an bewegung

 

menschen stehen

in ihren körpern

als wären sie nur vorübergehend

hier

im dazwischen

 

kaffee

in pappbechern

trinkt sich lauwarm

in die stille

 

irgendwo schreit ein kind

als wolle es

den fahrplan umschreiben

 

ich zähle sekunden

wie schritte

die keiner geht

und stelle fest:

mein warten

hat keinen anschluss 

 

~*~

 

© Anne Seltmann



 





Anne Seltmann 24.05.2025, 06.51 | (1/0) Kommentare (RSS) | TB | PL

Schneewittchen hat WLAN



[KI generiertes Bild / Text Anne Seltmann]




Es war einmal, in einem nicht ganz so fernen Königreich mit schnellem Internet, da lebte ein Mädchen mit Haut so weiß wie Milchschaum, Lippen so rot wie Tomatensoße und Haaren so schwarz wie der Ladebildschirm von *Netflix: Schneewittchen.
Sie lebte mit ihrer ewig gestressten Stiefmutter, die nicht nur eitel, sondern auch Influencerin war. Die Königin stellte der sprechenden Zauberspiegel-App täglich dieselbe Frage:
"Spieglein, Spieglein an der Wand, wer hat die meisten Follower im ganzen Land?"
Und der Algorithmus antwortete:
"Du warst es lange, keine Frage, doch Schneewittchen ist der neue Hype der Tage!"

Die Königin war empört! Schneewittchen hatte nämlich ein virales Video gepostet, in dem sie mit sieben Zwergen eine Tanz-Challenge auf dem Küchentisch aufführte. 
Also schickte die Königin Schneewittchen kurzerhand in den Offline-Wald, wo sie kein WLAN hatte. Doch dort traf Schneewittchen die sieben Zwerge – ein chaotischer Haufen:
Grummel hatte eine Zoom-Phobie, Kläuschen sprach nur in Emojis, und Blitz war süchtig nach Energy-Drinks. Doch sie waren herzlich, und bald lebte Schneewittchen mit ihnen in einer WG mit Hängematte, Kompost-Toilette und Fair-Trade-Kaffee.

Die Königin versuchte es alsbald mit einem manipulierten Apfel – gentechnisch verändert, glutenfrei, aber trotzdem verdächtig. Schneewittchen biss rein – und fiel um. Zum Glück war der Apfel nur überreif und hatte sie nicht vergiftet, sondern mit einem Zuckerschock umgehauen.

Der Prinz kam auf seinem E-Scooter vorbeigefahren, sah sie da liegen und rief den Notdienst. Schneewittchen kam zu sich, sah den Prinzen und meinte: "Du bist ganz nett, aber ich date niemanden, der keinen Hund hat."
Er holte sich noch am selben Tag einen Mops.
Und wenn sie nicht gestreamt sind, dann tanzen sie noch heute in ihrer Zwergen-WG auf *TikTok.



© Anne Seltmann




[* Namensnennung...unbeauftragt und unbezahlt]



Anne Seltmann 22.05.2025, 09.09 | (1/1) Kommentare (RSS) | TB | PL

Projekt: Ich seh rot 231/2025



 231/2025







Rosen

sie wachsen
als hätten sie nie
etwas anderes getan

mit dem mut
den dornen machen
wenn man sich trotzdem
öffnet

ihre farbe
keine festlegung –
nur ein vorschlag
an das licht

sie duften
wie erinnerung
an etwas
das man noch erleben wird

ich beuge mich zu ihnen
nicht aus ehrfurcht
sondern weil
sie einlädt

nicht zu blühen
für mich
sondern mit mir

~*~

© Anne Seltmann









Anne Seltmann 20.05.2025, 14.23 | (2/0) Kommentare (RSS) | TB | PL

Leichte Berührung





[Bild m. Photoshop erstellt / Text © Anne Seltmann]





deine hand auf meiner
ist kein versprechen
sondern ein hauch von möglichkeit

wie ein vogel,
der kurz landet
um dann weiterzufliegen

ich atme dich ein
nicht, um dich festzuhalten
sondern um dich zu spüren
in jedem flügelschlag

du bist das leise lachen
in meinem morgen
das licht, das sanft
durch die vorhänge fällt

ich liebe dich
nicht als ziel
sondern als weg
der sich öffnet
mit jedem schritt

 ~*~

© Anne Seltmann

1997





Anne Seltmann 18.05.2025, 08.49 | (0/0) Kommentare | TB | PL

Juri und das Schaf



[Bild KI generiert / Text © Anne Seltmann]






Juri war ein kleiner Junge.
Er lebte mit seiner Familie in einem Haus am Rande der Wiesen.
Dort wehte der Wind so weich, als würde er streicheln wollen.

Eines Tages, als Juri allein draußen spielte, sah er etwas Weißes im Gras.
Ein Schaf!
Es stand ganz still und schaute ihn an.

"Hallo", sagte Juri leise.
Das Schaf blinzelte.
Es schien nicht schüchtern, nur ein bisschen neugierig.

Juri ging näher.
Langsam, Schritt für Schritt.
Das Schaf blieb einfach stehen.

"Darf ich mich setzen?" fragte Juri.
Natürlich antwortete das Schaf nicht – aber es beugte sich ein kleines bisschen,
als würde es nicken.

Vorsichtig kletterte Juri auf seinen Rücken.
Das Schaf war warm und weich und roch nach Sommer.
Es fühlte sich an wie ein Kissen aus Wolle und Wind.

Sie blieben einfach so.
Ein Junge.
Ein Schaf.
Und eine Wiese, die atmete.

Ab diesem Tag waren sie Freunde.
Juri kam jeden Morgen.
Manchmal brachte er ein Stück Apfel mit.
Oder ein Lied.

Das Schaf sagte nie etwas.
Aber es wartete immer schon.

Juri lernte, dass man nicht reden muss, um sich zu verstehen.
Manchmal reicht es, einfach da zu sein.
Ganz ruhig.
Ganz echt.
Wie ein Schaf.
Wie ein Freund









Anne Seltmann 17.05.2025, 16.05 | (0/0) Kommentare | TB | PL

Was, wenn sie bleibt




[Bild KI generiert / Text © Anne Seltmann]





ich halte sie
nicht fest
nur so,
dass sie weiß: ich bin da

sie sieht durch
alles hindurch

mein atem still,
ihre bewegung ein zucken
gegen die welt

meine hand lernt
wie sich bleiben anfühlt
wenn man fliegen könnte

ich sage nichts

vielleicht
bleibt sie


 ~*~


© Anne Seltmann




Das Gedicht kann als Metapher gelesen werden für viele zwischenmenschliche Beziehungen oder für den Umgang mit etwas Kostbarem, das sich nicht einfangen lässt:
– ein Kind, das loslassen lernt
– ein geliebter Mensch, der gehen könnte
– ein kreativer Moment, der sich nicht erzwingen lässt
– Vertrauen, das nur wächst, wenn man nichts verlangt




Anne Seltmann 17.05.2025, 09.58 | (0/0) Kommentare | TB | PL

Freitag ist Fischtag N° 08



[Bild KI generiert / Text © Anne Seltmann]




der goldfisch
träumt von flussläufen
aus porzellan

er kennt
nur den rand
als grenze
und spiegel


~*~

© Anne Seltmann








Anne Seltmann 16.05.2025, 05.46 | (3/2) Kommentare (RSS) | TB | PL

Maritimer Mittwoch N° 228







Am Ufer

der fluss sagt nichts
und erzählt doch alles
was vergeht

hütten
ducken sich ins grün
als wollten sie
übersehen werden

der steg
ein satz ohne punkt
offen ins wasser geschrieben

auf der bank
der abdruck
von jemandem
der vielleicht du warst

~*~


© Anne Seltmann














Anne Seltmann 14.05.2025, 07.24 | (1/0) Kommentare (RSS) | TB | PL

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