Tag: P

Der kleine Elch hieß Adrian, was er selbst für einen sehr erwachsenen Namen hielt, obwohl sein Geweih noch so kurz war, dass es eher wie zwei ehrgeizige Gedanken aussah. Das Problem – oder je nach Tagesform das große Glück – war: Adrians Geweih leuchtete.
Nicht stark. Nicht majestätisch.
Eher so wie eine vergessene Nachtlampe.
Das fiel erstmals auf, als Adrian sich abends im Wald verlaufen wollte (er war sehr gut darin, sich zu verlaufen) und plötzlich alle anderen Tiere stehen blieben.
"Warum ist es hier heller geworden?", fragte der Igel.
"Das bin ich", sagte Adrian entschuldigend und versuchte, den Kopf unter einen Farn zu stecken. Der Farn begann ebenfalls zu glimmen.
Von da an hatte Adrian ein Problem. Tarnung war unmöglich. Verstecken ebenso. Räuber sahen ihn schon von weitem und entschieden sich dann meist dagegen, weil niemand einem leuchtenden Elch traut. Das ist eine bekannte Regel im Wald.
Besonders schlimm wurde es nachts. Die Eulen beschwerten sich über Lichtverschmutzung, die Glühwürmchen fühlten sich in ihrer beruflichen Existenz bedroht, und einmal benutzte ein Wanderer Adrians Geweih, um eine Karte zu lesen.
"Ich bin kein Werkzeug!", rief Adrian empört, aber der Wanderer war schon weg.
Adrian versuchte alles: Schlamm, Moos, eine Mütze aus Birkenrinde. Nichts half. Sein Geweih leuchtete durch alles hindurch, freundlich, hartnäckig, ein bisschen stolz.
Irgendwann hörte Adrian auf, sich zu schämen. Er stellte sich an die dunkelste Stelle des Waldes und wartete. Nach und nach kamen die Tiere. Nicht, um ihn auszulachen – sondern um sich zu wärmen, Geschichten zu erzählen und endlich mal wieder etwas zu sehen.
Seitdem ist Adrian offiziell der Wald-Elch mit eingebauter Beleuchtung.
Er findet das okay.
Manchmal dimmt er sein Geweih.
Aber nur, wenn er schlafen will.
© Anne Seltmann
Anne Seltmann 19.12.2025, 07.48 | (0/0) Kommentare | TB | PL


Hörst du das leise Rascheln im Wind
Hafer und Gräser neigen sich sanft
und berühren sich wie alte Freunde
ein Wispern zieht über die Felder
vom Sommer, der längst vergangen ist
von Sonnenstrahlen, die auf den Halmen tanzen
und von Schatten, die sich zwischen den Ähren verlieren.
Es ist ein Atemholen der Natur
ein Flüstern, das nur die Stille versteht
die kleinen Bewegungen zwischen Licht und Erde
ein Augenblick, der kaum zu fassen ist
und doch alles erzählt, was Zeit bedeutet
und wie das Leben leise weitergeht
in den Rändern von Feldwegen
zwischen den Wurzeln der Gräser
und dem Himmel, der sich sanft über alles legt.
Hier kann man stehen und hören
ohne zu fragen, ohne zu greifen
nur sein und lauschen
dem leisen Gespräch der Halme
dem Tanz der Lüfte
und dem kleinen Wunder, dass alles still spricht,
wenn man nur aufmerksam genug ist.
~*~
© Anne Seltmann

Anne Seltmann 18.12.2025, 00.00 | (0/0) Kommentare | TB | PL

2019 waren wir in Paris und für uns war der Besuch des berühmten Friedhofes "Père-Lachaise" ein Muss! Allerdings auch der Friedhof Montmartre. Dort ist auch dieses Bild entstanden.
Und wer den Friedhof Montmartre in Paris besucht, rechnet mit Stille, Patina und großen Namen der Vergangenheit. Was viele überrascht: Man ist dort selten allein. Zwischen Mausoleen, efeubewachsenen Grabsteinen und schmiedeeisernen Gittern leben die eigentlichen Hüter dieses Ortes – die Katzen von Montmartre.
Sie liegen auf warmem Stein, schleichen lautlos über Kieswege oder sitzen reglos auf Grabplatten, als hätten sie dort schon immer gewartet. Manche wirken wie zufällige Besucher, andere wie fest installierte Denkmäler mit Schnurrhaaren. Der Friedhof ist ihr Revier, ihre Bühne, ihr Rückzugsort.
Die Geschichte der Friedhofskatzen ist keine romantische Legende, sondern gewachsene Realität. Über Jahre hinweg haben sich streunende Katzen hier angesiedelt. Anwohner und Tierschützer kümmern sich um sie, sorgen für Futter, medizinische Versorgung und Kastrationen. So ist eine stille Gemeinschaft entstanden – respektvoll, unaufdringlich, fast unsichtbar.
Gerade diese Zurückhaltung passt zum Ort. Die Katzen drängen sich nicht auf. Sie beobachten. Sie scheinen die Besucher zu prüfen, mit jener gelassenen Überlegenheit, die Katzen perfektioniert haben. Wer innehält, merkt schnell: Ihre Anwesenheit mildert die Schwere des Friedhofs. Sie bringen Leben an einen Ort der Erinnerung.
Zwischen den Gräbern berühmter Künstler und vergessener Namen wirken die Katzen wie Bindeglieder zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Sie erinnern daran, dass Orte nicht nur von Geschichte, sondern auch vom Jetzt bewohnt werden. Ein leises Miauen, ein flüchtiger Schatten – und der Friedhof atmet weiter.
Die Katzen von Montmartre sind keine Attraktion im klassischen Sinne. Sie sind Teil des Ortes. Und vielleicht liegt genau darin ihr Zauber: Sie machen den Tod nicht leichter, aber sie machen ihn menschlicher – oder zumindest wärmer.
Wer genau hinsieht, entdeckt sie fast immer. Und wer ihnen begegnet, verlässt den Friedhof oft mit dem Gefühl, dass Erinnerung und Leben sich hier still die Pfote reichen.

Anne Seltmann 17.12.2025, 05.28 | (0/0) Kommentare | TB | PL

An einem stillen Winterabend standen vier kleine Weihnachtsmäuse vor einem hohen Tannenbaum, der bis zur Spitze nach Harz und Schnee roch. Ihre Pfoten waren kalt, aber ihre Herzen warm. Der Baum funkelte, als hätte er heimlich den Sternenhimmel eingesammelt und zwischen seine Zweige gesteckt.
Die Mäuse räusperten sich feierlich und begannen zu singen. Ihre Stimmen waren dünn wie Fäden, aber zusammen klangen sie mutig und hell. Der Tannenbaum lauschte so aufmerksam, dass eine Nadel vor Rührung zu Boden fiel. Mit jedem Lied schien der Raum ein wenig heller zu werden, als hätte die Dunkelheit selbst gern mitgesungen.
Als das letzte Lied verklungen war, verneigten sich die Mäuse tief. Der Baum raschelte leise zurück, und für einen Moment wussten alle: Das war Weihnachten, genau so, wie es sein sollte.
© Anne Seltmann
Anne Seltmann 16.12.2025, 10.29 | (3/1) Kommentare (RSS) | TB | PL

Vesna saß an ihrem Schreibtisch, der Stift lag sauber ausgerichtet neben den Karten, alle gleich, alle mit glänzenden Rändern und dem gleichen Versprechen von Wärme. Draußen hing der Dezember grau und still, drinnen roch es nach Tee und ein wenig nach Gewohnheit.
Vesna drehte eine der Karten zwischen den Fingern. "Frohe Weihnachten und ein gesundes neues Jahr." Sie kannte den Satz auswendig. Sie hatte ihn tausendmal geschrieben, mit kleinen Variationen, mal mehr Herzlichkeit, mal mehr Förmlichkeit. Und jedes Mal war es dasselbe gewesen.
Ich mag keine Weihnachtspost mehr schreiben, dachte sie und erschrak fast über die Klarheit dieses Gedankens. Nicht aus Trotz. Nicht aus Kälte. Sondern aus Müdigkeit.
Die Wünsche langweilten sie, weil sie hohl
geworden waren. Gesundheit, Frieden, Glück – große Worte, die niemand erklären
musste und die doch niemand wirklich meinte.
Sie fühlten sich an wie automatische Gesten, wie Nicken im Vorübergehen. Vesna
fragte sich, ob man all das wirklich noch wünschen konnte, ohne etwas dabei zu
empfinden.
Sie legte den Stift weg. Früher hatte sie geglaubt, Höflichkeit sei gleichzusetzen mit Verbundenheit. Jetzt spürte sie, dass zwischen beidem eine Lücke lag. Eine leise, unbequeme.
Vielleicht, dachte sie, ist es ehrlicher, nicht zu schreiben. Oder nur einer Person. Oder einen Satz, der wirklich von ihr kam – unbeholfen, nicht rund, aber wahr. Einen Satz, der nicht alles wollte, sondern nur meinte: Ich habe an dich gedacht, heute.
Vesna nahm eine der Karten und schob sie zurück in die Schachtel. Nicht aus Ablehnung, sondern aus Respekt vor den Worten. Wenn sie schrieb, dann wollte sie wieder etwas zu sagen haben. Und bis dahin durfte auch Stille ein Geschenk sein.
Ich habe in diesem Jahr nur in sehr reduzierter Form Weihnachtskarten verschickt, da ich das Schreiben von Weihnachtspost zunehmend als belastend empfinde. Zukünftig werde ich es ganz einstellen.
Es waren diesmal 16 am Stück!
Eure Karten, die ich alle noch habe, haben mich stets erfreut und bedeuten mir viel! Nun, es ist meine persönliche Müdigkeit, die das Schreiben zu einer Art automatischen Geste macht, wie ein beiläufiges Nicken, so wie es meine Protagonistin erlebt.
Worauf ich natürlich nicht verzichten werde, ist weiterhin Geburtstagsgrüße zu versenden.
Ich bitte daher um Verständnis!
Anne Seltmann 14.12.2025, 10.41 | (4/0) Kommentare (RSS) | TB | PL
Nenne drei Bücher, die dich beeinflusst haben. Warum ist das so?
Drei Bücher, die mich geprägt haben, sind "Der kleine Prinz" von * Antoine de Saint-Exupéry, "Siddhartha" von * Hermann Hesse und "1984" von * George Orwell.
"Der kleine Prinz" wirkt auf den ersten Blick schlicht, fast kindlich, und genau darin liegt seine Kraft. Das Buch zeigt, wie leicht Wesentliches im Alltag übersehen wird, wenn man nur noch funktioniert. Die ruhige, klare Sprache und die poetischen Bilder erinnern daran, dass Beziehung, Verantwortung und Staunen keine Nebensachen sind. Dieses Buch schärft meinen Blick für Zwischentöne und für das Ungesagte.
"Siddhartha" hat mich beeinflusst, weil es keinen fertigen Weg anbietet. Die Suche nach Sinn, Erkenntnis und innerer Ruhe verläuft über Irrtümer, Umwege und Widersprüche. Das Buch lehrt, dass Erfahrung nicht ersetzt werden kann und dass Einsicht etwas sehr Persönliches ist. Diese Haltung prägt, wie ich über Entwicklung, Geduld und Selbstfindung nachdenke.
"1984"schließlich wirkt auf einer ganz anderen Ebene. Es zeigt, wie Sprache, Macht und Angst zusammenhängen und wie sehr Denken formbar ist. Das Buch schärft mein Bewusstsein für Manipulation, für den Wert von Wahrheit und für die Verantwortung, präzise mit Worten umzugehen. Es hinterlässt weniger Trost, aber eine anhaltende Wachsamkeit.
Zusammen zeigen diese Bücher drei Perspektiven auf das Menschsein: das Poetische, das Suchende und das Kritische. Genau diese Mischung empfinde ich als prägend.
[* Namensnennung...unbeauftrgat und unbezahlt !]
Anne Seltmann 14.12.2025, 06.24 | (2/1) Kommentare (RSS) | TB | PL


08.12.2025, 00.00 | (8/0) Kommentare (RSS) | TB | PL

Der Weihnachtsstern trägt einen Namen, der fast so zart und poetisch klingt wie sein Erscheinungsbild: Poinsettia. Dieser Name stammt vom amerikanischen Botaniker Joel Roberts Poinsett, der die Pflanze im 19. Jahrhundert aus Mexiko mitbrachte, wo sie schon damals als Symbol für Erneuerung und Licht galt. Dort nennt man sie "Flor de Nochebuena", Blume der Heiligen Nacht. Schon diese Herkunft lässt erahnen, dass der Weihnachtsstern weit mehr ist als nur ein dekoratives Wintergewächs.
Sein leuchtendes Rot ist das erste, was ins Auge fällt. Doch viele wissen nicht, dass es sich dabei gar nicht um Blüten handelt, sondern um farbige Hochblätter, die wie ein natürlicher Rahmen wirken. In ihrer Mitte sitzen die kleinen, unscheinbaren Blüten, die das ganze Erscheinungsbild noch geheimnisvoller machen. Die Poinsettia scheint in sich selbst zu strahlen und bringt selbst in dunklen Dezembertagen ein Gefühl von Wärme und Geborgenheit in jeden Raum. Ich selbst habe wenig Glück mit ihm, schaue ihn mir aber gerne an. Allerdings lieber ohne den ganzen Glitzerkram!
Anne Seltmann 02.12.2025, 06.12 | (0/0) Kommentare | TB | PL

Beim Sichten meiner Bilder, bin ich auf einige meiner Nähprojekte gestoßen.
Ich habe diverse Sachen für meine Kindergartenkinder genäht und natürlich auch für mich.
Von links nach rechts…
Links oben ist ein Nähprojekt gewesen, dass ich bei *vonlangehand gesehen hatte. Da habe ich mir die Nähanleitung für die kleinen Schiffchen gekauft.
Dann kommen als nächsten Turnbeutel, die ich für meine Kindergartenkinder genäht hatte, als Abschiedsgeschenke, für den Übertritt in die Grundschule. Die habe ich frei nach Schnauze genäht. Ich habe diesen Stoff gewählt, damit sie ihn selbst ausmalen können.
Daneben unschwer zu erkennen bin ich. Zumindest erkennen mich alle, die mich schon einmal gesehen haben. In der Anfangszeit habe ich wie verrückt Masken genäht. Für uns, für die Familie, für Freunde – bestimmt rund zweihundert Stück sind dabei entstanden.
Die Lenker-Tasche fürs Fahrrad daneben war ein Geschenk für das Nachbarsmädchen, entdeckt bei * Lybstes
Unten links seht ihr ein Puppenkleidchen, das ich ohne Vorlage genäht habe. Ein Hängerchen beziehungsweise Schürzenkleid, das ich bei * Stoff -Schmiede entdeckt und mir den Zuschnitt selbst zurecht gefriemelt habe.
Dann kommt Öwe, * die Möwe, die ich für die Sprachförderung in meinem Kindergarten genäht hatte. Öwe ist übrigens herrlich frech.
Und ganz zum Schluss durfte eine Puppenwindel natürlich nicht fehlen – ebenfalls frei genäht und ohne Plan, einfach aus der Idee heraus.
Anne Seltmann 01.12.2025, 15.16 | (1/0) Kommentare (RSS) | TB | PL