Tag: Gedicht
Am Samstag roch die Küche nach Seife und Dampf,
der Herd glühte leise, das Wasser schwappte schwer in die Zinkwanne.
Ein kleines Meer mitten im Alltag,
in dem die Woche von den Schultern glitt.
Die Mutter prüfte die Temperatur mit der Hand,
der erste durfte rein, das Wasser war klar wie ein Versprechen.
Der Letzte tauchte in Geschichten,
die schon vom Seifenschaum erzählt wurden.
Die Haare dufteten nach Kernseife,
die Haut nach Wärme und Geborgenheit.
Und wenn draußen der Abend sank,
wartete der Sonntag – mit frisch geföhnten Träumen.
~*~
© Anne Seltmann
Anne Seltmann 12.04.2025, 06.37 | (3/3) Kommentare (RSS) | TB | PL
Wenn du für einen Tag jemand anderes sein könntest, wer wärst du und warum?
Ich möchte heute poetisch auf diese Frage antworten
Ich wäre jemand, den ich nie ganz verstanden habe –
nur für einen Tag.
Nicht, um ihn zu beurteilen,
sondern um ihn zu fühlen.
Ich würde seine Schatten durchschreiten,
die Worte hören,
die er nie laut sagte.
Ich würde in seinem Licht stehen,
das er vor der Welt verbarg.
Ich würde mit seinen Augen sehen,
mit seinen Ängsten atmen,
mit seiner Hoffnung hoffen –
auch wenn sie still geworden ist.
Vielleicht beginnt echtes Verstehen
nicht im Reden,
sondern im stillen Gehen
auf einem fremden Weg.
Vielleicht beginnt Mitgefühl
genau dort,
wo wir unsere eigene Sicht
loslassen
– für einen Tag.
~*~
© Anne Seltmann
Anne Seltmann 11.04.2025, 16.20 | (2/2) Kommentare (RSS) | TB | PL
Gänseblumen
Sie wachsen dort,
wo niemand sie erwartet.
Zwischen Kies,
unter den Füßen der Gedanken,
unbeirrt.
Ein weißer Blick zum Himmel,
ein gelbes Flüstern aus der Mitte.
Sie kennt kein Groß,
kein Laut.
Nur das Dasein –
klar,
still,
leicht.
Manche nennen sie unscheinbar,
doch sie trägt den Sommer
auf der Zunge.
~*~
© Anne Seltmann
Anne Seltmann 11.04.2025, 07.27 | (1/1) Kommentare (RSS) | TB | PL
Ich schreibe –
ein Wort,
noch eins –
es klingt,
verhallt,
verfliegt.
Die Zeile kippt,
der Sinn verrutscht,
ein Komma fällt
aus dem Gedanken.
Ich streiche durch,
lösche aus,
verwerfe,
was eben noch
wie Wahrheit schien.
Doch etwas bleibt –
ein Hauch,
ein Flimmern,
ein stiller Widerhall
im Weiß des Papiers.
Ich beginne neu,
nicht besser,
nicht schlechter –
nur ehrlicher.
Denn Schreiben ist
ein ständiges Verlassen,
ein Finden zwischen
Zeilen,
Zweifeln
und
Zwischentönen.
~*~
© Anne Seltmann
Anne Seltmann 10.04.2025, 10.11 | (0/0) Kommentare | TB | PL
Der Farn-
wie ein leises Flüstern aus vergangener Zeit.
Seine Blätter, kunstvoll gefiedert, entrollen sich mit der Geduld eines alten Liedes.
Er wächst im Halbschatten, wo das Licht gefiltert fällt –
nicht fordernd, nicht laut,
sondern voller stiller Präsenz.
Ein grüner Architekt der Stille,
der den Waldboden wie ein Geheimnis bedeckt.
Er braucht kein Aufsehen,
nur feuchte Erde und den Hauch des Morgens,
um sich in seiner ganzen Anmut zu zeigen.
Der Farn –
eine Pflanze wie ein Gedicht,
geschrieben in der Sprache der Schatten.
~*~
© Anne Seltmann
Die Art, wie sich der Farn langsam entrollt – Blatt für Blatt, Spirale um Spirale – ist zum Symbol für inneres Wachstum geworden. In der Maori-Kultur Neuseelands etwa steht der junge Farn (genannt koru) für Erneuerung, Harmonie und das sich ständig Entfaltende. Dieses Motiv findet sich auch in Kunst, Tattoos und Architektur wieder.
Weltweit gibt es etwa 10.000 bis 12.000 Farnarten – manche Quellen sprechen sogar von bis zu 15.000, je nachdem, wie fein die botanische Einteilung erfolgt. Damit gehören Farne zu den artenreichsten Pflanzengruppen, direkt nach den Blütenpflanzen. Sie kommen auf allen Kontinenten vor – von den Tropen bis zur Arktis – und wachsen in unterschiedlichsten Lebensräumen
Anne Seltmann 10.04.2025, 08.14 | (3/3) Kommentare (RSS) | TB | PL
Sie tritt ein, als gehöre ihr der Raum,
ihr Blick schweift, suchend,
nicht nach etwas Bestimmtem,
sondern nach dem Unerwarteten.
Ein Schatten zuckt an der Wand,
sie verharrt –
ein leises Zucken der Schnurrhaare,
ein Zucken in der Luft.
Ihr Körper ist Spannung,
Federkraft,
Bereitschaft.
Die Welt ist für sie kein Ort der Gewohnheit,
sondern ein endloser Strom von Möglichkeiten.
Ein fallendes Blatt vor dem Fenster,
ein unerklärliches Geräusch im Flur,
eine Schublade,
nicht ganz geschlossen –
sie weiß,
dass dahinter Geschichten wohnen.
Sie schnuppert an Büchern,
stupst mit der Pfote an deine Gedanken,
schaut dich an,
als wüsste sie etwas,
das du vergessen hast.
Und wenn du denkst, sie sei längst woanders,
sitzt sie plötzlich hinter dir,
und blickt durch dich hindurch,
als wäre dort etwas,
was nur sie sehen kann.
~*~
© Anne Seltmann
Anne Seltmann 08.04.2025, 05.00 | (5/3) Kommentare (RSS) | TB | PL
Anne Seltmann 07.04.2025, 09.35 | (0/0) Kommentare | TB | PL
Es war einmal ein Hase,
der hieß Augustin,
und weil er keine Ahnung
von guten Sitten hatte,
verließ er stets den Bau,
wo er von anderen Hasen
kein Vertrauen fand.
Augustin, der Hase,
schlug seine Hacken stets
und hüpfte von dannen
und über Zäune,
kein Hase ihm nach
und keiner wusste,
was er von seiner schnellen Flucht
eigentlich hatte.
Doch als er dann in ein Graben fiel,
verstand er, dass es mit dem Laufen
nicht immer gut getan ist.
Manch' schöner Weg führt nach der Höhe,
wo andere Hasen lachen
~*~
Wilhelm Busch
Anne Seltmann 07.04.2025, 09.22 | (2/2) Kommentare (RSS) | TB | PL
Anne Seltmann 05.04.2025, 17.29 | (0/0) Kommentare | TB | PL
Wenn ich dir heute wieder sage,
dass ich dich liebe –
dann ist es nicht mehr als ein Moment,
ein flackernder Gedanke,
verloren im Rausch der Nacht.
Ich fliege ziellos,
treibe durch Schatten und Licht,
doch mein Herz –
es gehört dir,
in all seiner Wirrnis,
in all seiner Zerbrechlichkeit.
~*~
© Anne Seltmann
1997
Anne Seltmann 20.03.2025, 10.53 | (1/1) Kommentare (RSS) | TB | PL