Tag:

Mein Weg zum CI
Ich erinnere mich noch genau an den Anfang. Ein einziger Moment – ein Hörsturz – und plötzlich war da nur noch Stille. Nicht gedämpft, nicht leise, sondern vollkommen. So absolut, dass ich das Gefühl hatte, ein Stück von mir sei einfach verschwunden.
Mein Arzt bestätigte schließlich das, was ich innerlich schon ahnte: Das Gehör auf diesem Ohr würde nicht zurückkommen. Als er zum ersten Mal ein Cochlea-Implantat erwähnte, war ich innerlich zerrissen. Hoffnung und Angst lagen dicht beieinander – Hoffnung darauf, wieder hören zu können, und Angst davor, was auf mich zukommt und ob es überhaupt funktioniert.
Gemeinsam entschieden wir, zunächst eine Reha speziell für Hörgeschädigte zu beantragen. Schon kurze Zeit später konnte ich nach Bad Nauheim fahren – in eine Klinik, die genau auf meine Situation zugeschnitten war. Dieser Aufenthalt dort hat mir schließlich die Entscheidung abgenommen und mir den Mut gegeben, den nächsten Schritt zu gehen.
Die Operation und vor allem die Aktivierung waren ein emotionaler Sturm. Als ich das CI zum ersten Mal eingeschaltet bekam, hörte ich alles – aber anders. Stimmen klangen wie Roboter, jedes Geräusch war fremd und grell. Ich dachte nur: Das soll die Lösung sein?
Doch mit jedem Tag lernte mein Gehirn dazu. Zuerst waren es nur kleine Fortschritte – ein neues Geräusch, das ich plötzlich erkannte, eine Stimme, die klarer wurde. Ich erinnere mich an den Moment, als ich wieder das Zwitschern eines Vogels hörte. Da standen mir Tränen in den Augen. Etwas, das ich verloren geglaubt hatte, war zurück – nicht genauso wie früher, aber lebendig, echt, ein Teil von mir.
Heute ist Hören mit CI manchmal noch anstrengend, es ist nicht dasselbe wie vorher. Aber es gibt mir so viel zurück: Gespräche, Sicherheit, Nähe zu den Menschen, die mir wichtig sind. Dieser Schritt war nicht leicht, aber er war richtig.
Wenn ich eins gelernt habe, dann das: Ein Hörsturz kann dir das Hören nehmen – aber ein CI kann dir das Leben zurückgeben.
Anne Seltmann 03.08.2025, 17.32 | (2/1) Kommentare (RSS) | TB | PL

571. Mit wem stöberst du am liebsten in Erinnerungen?
Mit meinem Lieblingsmenschen.
572. Wie viele Stunden am Tag verbringst du vor dem Computer?
Das bleibt mein Geheimnis!
573. Verschweigst du deinem Partner manchmal Sachen, die du gekauft hast?
Nein, warum auch?
574. Wen oder was benutzt du als Ausrede, um etwas nicht machen zu müssen?
Die Zeiten solcher Ausreden sind längst vorbei.
575. Gehst du gern ins Kino?
Nicht mehr, seitdem ich ein CI trage.
576. Wie großzügig bist du?
Das kommt immer drauf an, um wen es geht. Bei meinen Enkelkindern auf alle Fälle!
577. Was versucht du zu vermeiden, weil du Angst hast?
Nicht an die Situation zu denken, die mir Angst macht
578. Was ist deine neueste harmlose Leidenschaft?
KI -Bilder kreieren.
579. Was würdest du auf dem roten Teppich tragen?
Ein langes Seidenkleid in tiefblau
580. Wie geht es dir wirklich?
Hm, bis auf die wenigen Zipperlein recht gut!
Anne Seltmann 03.08.2025, 16.27 | (1/0) Kommentare (RSS) | TB | PL


Sommer ist
die Haut, die Sonne trinkt,
ein Atemzug von warmem Wind,
der Geruch von reifem Gras
und Geschichten,
die barfuß durch die Tage laufen.
Sommer ist
ein langer, goldener Faden,
der den Himmel an die Erde näht,
ein Versprechen aus Licht,
das uns den Winter vergessen lässt.
Und Sommer ist auch
das Lächeln im Briefkasten,
wunderschöne, selbst kreierte Post,
die zwischen den Fingern
wie ein kleines Stück Sonne
weiterglüht.
~*~
© Anne Seltmann

Darüber habe ich mich sehr gefreut!

Anne Seltmann 02.08.2025, 14.12 | (2/1) Kommentare (RSS) | TB | PL


Heute schenke ich mir Löwenmäulchen
weil etwas in mir
nach sanfter Farbe ruft
die Stiele tragen
ein Gewicht aus nichts
nur Atem und Regenreste
ein paar Blüten
sehen mich an
als wüssten sie mehr
von all den Stunden
die ich nicht benennen kann
ich stelle sie ins Fenster
und warte
bis das Licht
ihnen und mir
denselben Frieden schenkt



Anne Seltmann 01.08.2025, 10.28 | (0/0) Kommentare | TB | PL

Tief unten im Meer lebte ein kleiner Fisch, der anders war als alle anderen. Seine Schuppen waren schlicht, doch sein Körper war über und über mit Knöpfen geschmückt. Große, kleine, bunte und schimmernde Knöpfe – jeder mit einer eigenen Form und einem eigenen Geheimnis.
Die anderen Meeresbewohner wunderten sich und fragten ihn oft: "Warum trägst du all diese Knöpfe?" Der Fisch lächelte sanft und antwortete: "Jeder Knopf erzählt von einem Moment, den ich nicht vergessen will."
Einen roten Knopf hatte er einst am Strand gefunden, als eine Welle ihn ins Meer gespült hatte – er erinnerte ihn an einen Sommertag voller Wärme. Ein goldener Knopf kam von einem Seestern, der ihm einst geholfen hatte, sich vor einem Sturm zu verstecken. Manche Knöpfe waren Geschenke von Freunden, andere Erinnerungen an kleine Abenteuer, die er ganz allein erlebt hatte.
Wenn das Sonnenlicht ins Wasser fiel, glitzerten die Knöpfe wie winzige Sterne, die zwischen den Wellen tanzten. Und jedes Mal, wenn jemand den kleinen Fisch ansah, fühlte er sich ein bisschen glücklicher, als hätte er selbst eine dieser Geschichten berührt.
© Anne Seltmann
Anne Seltmann 01.08.2025, 06.25 | (1/1) Kommentare (RSS) | TB | PL


die pfütze ist wie ein geheimnis
versteckt unter grauem himmel
gummistiefel tauchen ein
in ein meer aus spiegeln und träumen
jeder sprung ein kleines gedicht
ein tanz zwischen himmel und erde
wasserflüstern trägt das lachen fort
und bleibt doch immer bei mir
kleine welten öffnen sich
unter den schritten der neugier
pfützen werden zu ozeanen
und ich bin ein abenteurer ganz ohne schiff
~*~
© Anne Seltmann

Anne Seltmann 01.08.2025, 00.00 | (2/0) Kommentare (RSS) | TB | PL

Worte, die entmenschlichen
Es gibt Ausdrücke, die mehr zerstören als benennen – und einer davon ist für mich "Leichnam oder menschliche Überreste". Ein Wort, das in sich kein Einfühlungsvermögen trägt, keinen Rest von Menschlichkeit.
Gestern ging die Nachricht durch alle Medien: Laura Dahlmeier, die Olympiasiegerin und mehrfache Weltmeisterin im Biathlon, ist bei einem tragischen Bergunglück in Pakistan ums Leben gekommen. In Berichten heißt es nüchtern: ihr Leichnam bleibt am Berg, ganz in ihrem Sinne und Wunsch. Doch dieser nüchterne Begriff verzerrt alles.
Laura war kein "Leichnam". Sie war ein Mensch mit Mut, Leidenschaft, Humor und Bodenständigkeit – eine Inspiratorin weitaus über den Sport hinaus.
Wenn Journalist:innen oder Behörden in ihrer Berichterstattung dieses Wort verwenden, fühle ich, wie sich nicht nur die Erinnerung ihrer Person entfernt – sondern wie sich auch unserer gemeinsames Menschsein entfremdet. Leichnam klingt wie etwas, das wir wegräumen, zurücklassen, verschwinden lassen könnten.
Ich halte eine Sprache für nötig, die Menschen nicht in Kategorien verwandelt, sondern sie ehrt – die sensibel bleibt, auch wenn Worte über Leben und Tod entscheiden. Laura hat gerne Berge bestiegen, sie war Abenteurerin aus Überzeugung, bis zuletzt. Ihre Entscheidung, im Unfallfall keine Bergungsaktion zu riskieren, unterstreicht am Ende ihre Bodenständigkeit und Haltung.
Ich wünsche mir, dass wir im Angesicht von Tod und Trauer nicht vergessen: Hinter jeder Meldung steht ein Name, ein Leben, eine Geschichte. Und dass wir Worte wählen, die das Respektieren – nicht Worte, die die Menschlichkeit auf ein Ding reduzieren. Denn das, was Laura Dahlmeier hinterlässt, ist weit größer als jeder sportliche Rekord. Es ist ein Vermächtnis, das in Erinnerungen weiterlebt – nicht in einem Begriff wie "Leichnam".
Mein tiefes Mitgefühl gilt allen, die um Laura Dahlmeier trauern. Sie war weit mehr als ein Name im Sport – ein Mensch voller Mut, Leidenschaft und Wärme.
Das Wort Leichnam stammt aus dem Althochdeutschen und setzt sich ursprünglich aus zwei Teilen zusammen:
līh oder līk = "Körper, Gestalt, Leiche"
nam = "genommen, übernommen“ oder auch "Name"
Im Mittelhochdeutschen bedeutete lichnam noch ganz neutral "menschlicher Körper" – egal, ob lebendig oder tot. Erst im Laufe der Zeit, etwa ab dem Spätmittelalter, verschob sich die Bedeutung zu "toter Körper eines Menschen".
Anne Seltmann 31.07.2025, 08.53 | (3/3) Kommentare (RSS) | TB | PL

Marius "unperfektes" Bild hat mich zu diesem Gedicht inspiriert

Wenn alles immer glatt und makellos wäre
gäbe es keine Ecken keine Kanten die erzählen
keine Narben die leise von Mut und Wandel singen
kein Flüstern der Zeit die uns hält und trägt
keine Schatten die das Licht erst lebendig machen
Im Unvollkommenen wohnt die Seele des Moments
ein Tanz aus Fehlern und Hoffnungen
aus zerbrochenem Glas das in der Sonne funkelt
Hier finden wir die echten Geschichten
die uns berühren und wachsen lassen
Denn erst wenn nicht alles perfekt ist
öffnet sich Raum für Wunder und echtes Leben
für das raue und zarte zugleich
für das, was wirklich zählt und bleibt
~*~
© Anne Seltmann

Anne Seltmann 31.07.2025, 07.04 | (0/0) Kommentare | TB | PL




Anne Seltmann 31.07.2025, 05.56 | (3/3) Kommentare (RSS) | TB | PL