Thema: PerlenhafteProjekte
Heute schenke ich mir Löwenmäulchen
weil etwas in mir
nach sanfter Farbe ruft
die Stiele tragen
ein Gewicht aus nichts
nur Atem und Regenreste
ein paar Blüten
sehen mich an
als wüssten sie mehr
von all den Stunden
die ich nicht benennen kann
ich stelle sie ins Fenster
und warte
bis das Licht
ihnen und mir
denselben Frieden schenkt
Anne Seltmann 01.08.2025, 10.28 | (0/0) Kommentare | TB | PL
Tief unten im Meer lebte ein kleiner Fisch, der anders war als alle anderen. Seine Schuppen waren schlicht, doch sein Körper war über und über mit Knöpfen geschmückt. Große, kleine, bunte und schimmernde Knöpfe – jeder mit einer eigenen Form und einem eigenen Geheimnis.
Die anderen Meeresbewohner wunderten sich und fragten ihn oft: "Warum trägst du all diese Knöpfe?" Der Fisch lächelte sanft und antwortete: "Jeder Knopf erzählt von einem Moment, den ich nicht vergessen will."
Einen roten Knopf hatte er einst am Strand gefunden, als eine Welle ihn ins Meer gespült hatte – er erinnerte ihn an einen Sommertag voller Wärme. Ein goldener Knopf kam von einem Seestern, der ihm einst geholfen hatte, sich vor einem Sturm zu verstecken. Manche Knöpfe waren Geschenke von Freunden, andere Erinnerungen an kleine Abenteuer, die er ganz allein erlebt hatte.
Wenn das Sonnenlicht ins Wasser fiel, glitzerten die Knöpfe wie winzige Sterne, die zwischen den Wellen tanzten. Und jedes Mal, wenn jemand den kleinen Fisch ansah, fühlte er sich ein bisschen glücklicher, als hätte er selbst eine dieser Geschichten berührt.
© Anne Seltmann
Anne Seltmann 01.08.2025, 06.25 | (0/0) Kommentare | TB | PL
die pfütze ist wie ein geheimnis
versteckt unter grauem himmel
gummistiefel tauchen ein
in ein meer aus spiegeln und träumen
jeder sprung ein kleines gedicht
ein tanz zwischen himmel und erde
wasserflüstern trägt das lachen fort
und bleibt doch immer bei mir
kleine welten öffnen sich
unter den schritten der neugier
pfützen werden zu ozeanen
und ich bin ein abenteurer ganz ohne schiff
~*~
© Anne Seltmann
Anne Seltmann 01.08.2025, 00.00 | (2/0) Kommentare (RSS) | TB | PL
Anne Seltmann 31.07.2025, 05.56 | (3/3) Kommentare (RSS) | TB | PL
Manche Boote haben Geschichten in ihren Planken, die kein neues Schiff je tragen könnte. Wenn ich an den Kais entlangspaziere und ein altes Fischerboot entdecke, halb von Salz und Wind zerfressen, zieht es mich magisch an. Da sind diese Risse im Holz, die Spuren von unzähligen Tagen auf dem Wasser, die blinden Fenster der Kajüte, die einst dem Horizont entgegengeblickt haben. Manchmal duftet das Holz noch nach Meer, manchmal nach vergangener Arbeit und altem Diesel.
Ich weiß, sie werden zerfallen, vielleicht schon morgen, vielleicht im nächsten Sturm. Und trotzdem liebe ich sie. Vielleicht gerade deswegen. Sie sind wie stille Zeugen einer Zeit, in der die Menschen mit einfacheren Mitteln fuhren, als das Meer noch nicht von GPS-Linien durchzogen war, sondern von Hoffnung, Erfahrung und Mut.
Ein marodes Boot ist für mich kein Schandfleck. Es ist ein Gedicht, das das Meer geschrieben und die Zeit langsam verwischt hat – aber nicht so sehr, dass man es nicht mehr lesen könnte.
Anne Seltmann 30.07.2025, 07.13 | (1/0) Kommentare (RSS) | TB | PL
Es war eine kleine orange gestromte Katze, die jeden Tag denselben Platz wählte – das Fensterbrett im Wohnzimmer, direkt mit Blick auf die Straße. Schon lange bevor ihre Besitzerin von der Arbeit heimkam, saß sie dort, die Pfoten ordentlich unter dem Bauch gefaltet, den Schwanz wie eine Kommapause um sich geschlungen.
Die Nachbarn wussten längst Bescheid. Wer an dem Haus vorbeiging, sah das stille Ritual: die Katze reglos, nur die Ohren zuckten manchmal, wenn ein Auto kam oder Schritte näherkamen. Doch erst, wenn ein bestimmtes Lächeln hinter der Haustür auftauchte, veränderte sich etwas. Dann sprang sie wie ein kleines Feuerwerk vom Fensterbrett, lief zur Tür und begrüßte ihren Menschen mit einem freudigen Mauzen, das klang, als würde die ganze Wohnung atmen vor Glück.
30.07.2025, 06.37 | (1/0) Kommentare (RSS) | TB | PL
Wortvorgaben für das 100 Wörter-Drabble:
Lanze + erwidern + streng
Die Sonne sank blutrot hinter den Hügeln, als sie ihm gegenübertrat. In ihrer Hand glänzte die Lanze, nicht erhoben, nur bereit. "Sag etwas", flehte er, die Stimme bebend wie ein verletztes Tier. Doch sie schwieg, die Augen streng auf ihn gerichtet, als könnte ein falsches Wort die Welt zerreißen. Er wagte zu erwidern, dass er nicht zum Kampf gekommen sei, sondern um Frieden zu bitten, dass sein Herz schwerer sei als jede Rüstung. Für einen Atemzug stand alles still, selbst der Wind hielt den Atem an. Dann senkte sie langsam die Waffe, und der Abend atmete gemeinsam mit ihnen auf.
Anne Seltmann 29.07.2025, 16.06 | (4/0) Kommentare (RSS) | TB | PL
Kiel mal anders – oben ohne durch die Fördestadt
Seit 46 Jahren lebe ich nun schon in Kiel – damals bin ich von Krefeld hierher gezogen. In all den Jahren habe ich die Stadt auf meine eigene Weise erkundet: zu Fuß, mit dem Rad, mal zielstrebig, mal verträumt. Immer allein, immer auf meine Art. Und doch gibt es einen Klassiker, den ich bisher nie ausprobiert habe: die Rundfahrt mit dem roten Doppeldeckerbus.
Cabrio-Feeling unter der Sonne, geschützt bei Regen – so lässt sich Kiel stilvoll entdecken. In rund 70 Minuten rollt der Bus mit 360-Grad-Panorama-Blick durch die Stadt und zeigt ihre touristischen Highlights aus luftiger Vier-Meter-Höhe. Per Audio-Kommentar gibt's dazu allerlei Wissenswertes direkt ins Ohr.
Vielleicht ist ja tatsächlich etwas dabei, das mir in all den Jahren noch nicht begegnet ist. An den Haltestellen kann man jedenfalls entspannt ein- und aussteigen – und vielleicht ist das ja genau die Gelegenheit, sich mal treiben zu lassen. Kiel mit neuen Augen sehen – auch nach 46 Jahren.
Anne Seltmann 29.07.2025, 06.34 | (3/1) Kommentare (RSS) | TB | PL
Gesehen in Flensburg, als ich mit den Enkelbuben in der * Phänomenta war.
Das Phänomen, Schuhe über Seile, Stromleitungen oder gespannte Leinen zu werfen – oft "Shoefiti" genannt, ein Kofferwort aus Shoe und Graffiti – ist weltweit verbreitet, aber die Gründe dafür sind so vielfältig wie die Menschen, die sie werfen.
Eine eindeutige Antwort gibt es nicht auf die Frage, warum das Menschen tun, aber viele Deutungen und Theorien. Hier sind die wichtigsten:
Manche sagen: Es ist ein Abschiedsritual.
Andere behaupten: pure Rebellion.
Oder ein stilles Gedenken.
Wieder andere sehen Kunst darin – und vielleicht ist es genau das:
Ein Zeichen ohne Bedienungsanleitung.
In den USA sollen solche Schuh-Leinen früher als
Reviermarkierung oder geheimer Code gedient haben.
Heute aber scheint es mir eher ein Spiel geworden zu sein. Ein Bild.
Eines, das hängen bleibt – im Wortsinn.
Ich hatte übrigens schon einmal >> Teebeutelkunst << auf meinem Blog – auch das ein Alltagsgegenstand mit überraschendem Doppelleben. Jetzt also Schuhe in luftiger Höhe. Wer weiß, was als Nächstes auftaucht: Zahnbürsten im Baum? Taschenlampen im Blumentopf?
Was bleibt:
Ich mag solche Fundstücke.
Sie erzählen keine fertigen Geschichten – aber sie laden uns ein, selbst eine
zu erfinden.
Und vielleicht ist das die schönste Art, Kunst zu begegnen: mitten im Alltag,
ohne Eintrittskarte.
[*Namensnennung mit Verlinkung...unbeauftragt und unbezahlt]
Anne Seltmann 26.07.2025, 08.47 | (1/0) Kommentare (RSS) | TB | PL
[KI generiertes Bild / Text © Anne Seltmann]
die stille steht schon
im badezimmer und wartet
auf den ersten tropfen
ich ziehe mich aus
wie eine zwiebel,
blättrig, schlafwarm,
die woche klebt noch
zwischen meinen zehen
der schaum spricht in blasen
und nennt mich beim vornamen
ich nicke
am wannenrand lehnen blumen
aus dem vorgarten der erinnerung
sie schauen mich an
als wüssten sie
was ich vergessen will
alles ist erlaubt
unter wasser
auch das vergessen
auch das gurgeln von sorgen
durch den abfluss in die tiefe
wo niemand fragt,
ob ich fertig bin
ich wasche die tage ab
die an mir hingen
wie zu enge jacken
und finde darunter
einen körper
der einfach nur
sein will
die fliesen zählen meine atemzüge
eins zwei drei vier
einatmen
weiterleben
ausatmen
heute ist samstag
und ich gehöre mir
~*~
© Anne Seltmann
Anne Seltmann 26.07.2025, 06.05 | (1/0) Kommentare (RSS) | TB | PL