Tag: Midsommar
In Schweden ist Midsommar – gleich nach Weihnachten – das wohl bedeutendste Fest im Jahreslauf. Gefeiert wird es meist im Kreis von Familie, Freunden und Nachbarn. Der Mittsommerabend, auf Schwedisch midsommarafton, fällt immer auf einen Freitag zwischen dem 19. und 25. Juni – irgendwo zwischen Lichtfülle und Sommersehnsucht.
Irgendwann zwischen Tag und Nacht, wenn die Schatten noch weich sind und das Licht nicht weichen will, beginnt das, was man im Norden "Midsommar" nennt. Kein Datum, sondern ein Gefühl. Kein Feiertag, sondern ein leiser Tanz mit der Zeit.
Ich habe nie ein klassisches Mittsommerfest erlebt. Kein Maibaum, keine Erdbeertorte mit Sahne, kein Tanz ums Feuer. Und doch verstehe ich es – weil es in uns allen wohnt: dieses Bedürfnis, das Licht zu feiern, wenn es am längsten bleibt. So, als könnten wir für einen Moment die Dunkelheit überlisten.
Hier an der Ostsee wirkt Mittsommer anders. Der Wind riecht nach Salz und Heckenrose, und meine Möwen tragen Blumenkränzchen. Nicht in Wirklichkeit – aber auf meinen Bildern, die mit einem Augenzwinkern zeigen, dass auch das Meer das Feiern nicht verlernt hat. Möwen, die tanzen, statt zu kreischen. Sommerfantasien im Federkleid.
In meinem Kopf tanzen Mädchen barfuß über eine Wiese, Blumen im Haar, Lachen in der Luft. Die Glühwürmchen zögern nicht lange, und der Himmel macht keine Anstalten, zu verblassen. Vielleicht ist es das: ein kurzer Stillstand, mitten im Kreisen der Welt. Und wir, die wir zusehen oder mittanzen, wissen plötzlich wieder, wie sich Leichtigkeit anfühlt.
Mittsommer ist kein Fest der großen Gesten. Es reicht, sich auf eine Wiese zu setzen, die Stille zu hören, Möwen zuzulächeln und zu spüren, wie der Tag sich nicht entscheiden kann.
Ich glaube, es sind diese Momente, in denen wir uns wiederfinden – zwischen Tau und Himmel, zwischen Küstenlicht und innerem Gleichgewicht.
© Anne Seltmann
Anne Seltmann 21.06.2025, 15.00 | (1/0) Kommentare (RSS) | TB | PL