Tag: KI
Es war einmal ein Königreich, in dem nicht nur Bälle und Krönungen wichtig waren, sondern auch Recycling. Und genau dort lebte Aschenputtel – die längst keine Putzlappen mehr schwang, sondern sich mit dem königlichen Umweltamt verbündet hatte.
Nach dem berühmten Ball, bei dem sie ihren gläsernen Schuh verloren hatte und der Prinz sie auf diese Weise fand (eine etwas seltsame Methode des Kennenlernens, wenn man ehrlich ist), wurde Aschenputtel zur Königin – aber nicht irgendeiner. Sie wurde zur Königin der Nachhaltigkeit.
Eines Tages, beim Frühjahrsputz im Schloss, stolperte sie über den verbliebenen Glasschuh. Der andere war längst zerbrochen, weil der königliche Hund dachte, es sei ein besonders glitzerndes Kauspielzeug.
"Was mach ich denn jetzt mit nur einem Schuh?", murmelte Aschenputtel.
Wegwerfen? Niemals! Also setzte sie sich mit einem Becher
Minz-Tee an ihren Schreibtisch, kritzelte ein paar Skizzen, und plötzlich hatte
sie eine Eingebung:
Ein Designer-Aquarium!
Noch am selben Tag ließ sie den Schuh fachgerecht mit Wasser befüllen, einen Miniaturfilter einsetzen und kleine Goldfische hineinsetzen. Die royalen Gäste waren begeistert. Der Prinz hingegen war leicht irritiert. "Du schwimmst jetzt mit Goldfischen im Schuh durch den Palast?"
"Nicht ich – aber der Schuh! Der ist jetzt Kunst", erklärte Aschenputtel mit königlicher Miene.
Der Glasschuh stand fortan auf einem Ehrenplatz im Schlossgarten – direkt neben dem solarbetriebenen Kürbiskompost.
Kinder kamen aus allen Teilen des Reiches, um "Aschenputtels Fischschuh" zu sehen. Manche behaupteten sogar, die Fische könnten tanzen, wenn man Walzermusik spielte.
Und wenn sie nicht gestorben sind, schwimmen sie noch heute im ökologisch geprüften Cinderella-Aquarium – stilvoll, royal und absolut nachhaltig.
Anne Seltmann 30.05.2025, 00.00 | (1/0) Kommentare (RSS) | TB | PL
28.05.2025, 05.37 | (2/1) Kommentare (RSS) | TB | PL
vielleicht war da ein staubkorn
auf dem fenstersims der erinnerung
das fliegen wollte,
nicht zurück,
sondern dorthin,
wo zimmerdecken sternenhimmel waren
und die luft nach geborgenem staunen roch
die schuhe zu groß
und doch barfuß durchs gras,
weil pflastersteine nur dornen waren
in einem königreich voller
unvernunft und zuckerwatte
ich hatte keine uhr
nur den sonnenstand im haar,
das mittagsgold auf dem teppich
war das geheimnis der zeit
und niemand fragte nach morgen
ich war das licht hinter den gardinen
das murmeln im wasserglas
die frage ohne antwort
und manchmal
die antwort,
bevor jemand gefragt hatte
vielleicht ist kindsein
ein wort,
das sich jedes mal neu schreibt,
wenn ich mich vergesse
und mit geschlossenen augen
schaukle
~*~
© Anne Seltmann
Anne Seltmann 27.05.2025, 13.40 | (1/1) Kommentare (RSS) | TB | PL
Lilli war sieben Jahre alt, hatte Sommersprossen auf der Nase und rote wilde Locken. Was sie am meisten liebte, war Kaugummi. Nicht irgendeinen, sondern den rosafarbenen, der süß wie Erdbeersirup schmeckte und sich perfekt zum Blasenmachen eignete.
Schon früh am Morgen, wenn andere Kinder noch müde ihre Cornflakes löffelten, stand Lilli vorm Badezimmerspiegel und übte Blasen. Kleine zuerst, dann größere, bis sie so dünn und rund wurden, dass man hindurchsehen konnte. Ihre Mutter schüttelte oft den Kopf, aber heimlich lachte sie über Lillis Ehrgeiz.
In der Schule war Lilli für ihre Kaugummikunst berühmt. Auf dem Pausenhof versammelten sich Kinder um sie, wenn sie sich konzentriert hinstellte, tief einatmete und den Kaugummi langsam zu einer prächtigen Blase formte. Es war fast ein Ritual – alle hielten den Atem an, bis sie endlich platze. Und immer lachte Lilli dann so hell, dass selbst die Lehrer schmunzeln mussten.
Eines Montags geschah jedoch etwas Seltsames. Lilli hatte einen neuen Kaugummi ausprobiert, den sie im Kiosk entdeckt hatte: "Super-Duper-Giganto-Bubble" stand drauf. Die Verpackung glitzerte, und es roch nach Zuckerwatte. In der großen Pause kaute sie mit geschlossenen Augen, langsam, konzentriert – und dann pustete sie.
Die Blase wuchs. Und wuchs.
Sie wurde größer als Lillis Kopf. Größer als ihr Ranzen. Und noch größer.
Plötzlich spürte Lilli, wie ihre Füße den Boden verließen. Ein leises Kichern ging durch die Menge. Dann Rufe. Und ein "Oooooooh!", als Lilli wirklich vom Schulhof abhob. Langsam schwebte sie über die Köpfe der Kinder hinweg, getragen von ihrer gigantischen Blase, die in der Sonne schimmerte wie ein rosa Luftballon.
Lilli war nicht erschrocken. Im Gegenteil. Sie grinste. Unten winkten ihre Freunde, und sie winkte zurück. Der Wind spielte mit ihren Haaren, und die Stadt unter ihr wurde immer kleiner. Sie flog über Bäume, Häuser und das große Schwimmbad hinweg. Es war, als hätte sie all die Jahre genau für diesen Moment geübt.
Nach einer Weile, als die Blase begann, leise zu zischen, landete sie sanft auf einer Wiese hinter der Schule. Niemand hatte ihr je geglaubt, dass Kaugummiblasen stark genug zum Fliegen sind. Aber seit diesem Tag wurde Lilli anders angeschaut – mit einer Mischung aus Staunen, Neugier und ein bisschen Ehrfurcht.
Und manchmal, wenn der Wind richtig stand, sah man sie am Himmel – ein Mädchen mit Sommersprossen, flatternden roten Locken und der größten Kaugummiblase der Welt
© Anne Seltmann
Anne Seltmann 27.05.2025, 07.35 | (3/3) Kommentare (RSS) | TB | PL
Der Montag hat ein Imageproblem. Immer mürrisch beäugt, als wäre er persönlich schuld an der Weckzeit, der To-do-Liste und dem leeren Kaffeevorrat. Aber was, wenn wir ihn einfach umetikettieren? Nicht der Startschuss ins Chaos, sondern der sanfte Auftakt zur Woche – im Flauschanzug der Entspannung.
Mon-Tag ist Schon-Tag.
Ein Tag für einen zweiten Kaffee. Einen dritten vielleicht. Für leises Anlaufen, freundliches Gähnen und die feste Überzeugung: Heute muss noch gar nichts Weltbewegendes passieren. Nur der innere Schweinehund darf Gassi gehen – aber bitte langsam.
Wer mit Schon beginnt, kommt gut durch die Woche.
Der Montag nickt zustimmend – und gähnt mit.
Anne Seltmann 26.05.2025, 01.00 | (0/0) Kommentare | TB | PL
Der Blog ist auf Kurzurlaub – wir sind übers Wochenende bei der Schwägerin in Fehndorf.
Das bedeutet: Kaffeetassen im Dauerlauf, Küchentisch-Philosophie in Endlosschleife und mindestens ein Marmorkuchen.
Mein Blogwächter übernimmt solange das Kommando. Er schaut streng, lässt aber mit sich reden – besonders wenn man ihm ein Kekschen anbietet.
Ich bin bald zurück. Vielleicht mit neuen Geschichten. Ganz sicher mit neuen Kalorien.
Und wie immer...der/die Letzte macht das Licht aus!
Anne Seltmann 24.05.2025, 05.31 | (3/0) Kommentare (RSS) | TB | PL
In vielen Familien war der Samstag tatsächlich der festgelegte Badetag – nicht aus Wellness-Gründen, sondern aus praktischen. Badezimmer mit fließendem warmem Wasser waren bis in die 1950er- und 60er-Jahre in vielen Haushalten keine Selbstverständlichkeit. Stattdessen wurde ein großer Zinkbottich in die Küche gestellt, denn dort gab es den Herd – die einzige Möglichkeit, Wasser zu erhitzen.
Der Badeablauf war oft streng geregelt: Erst die Kinder, dann die Mutter, zum Schluss der Vater – alle nacheinander im selben Wasser. Ein bisschen Seife, ein Lappen, manchmal Badepulver – das musste reichen. Warmes Wasser wurde mit Kesseln vom Herd nachgefüllt.
Anne Seltmann 24.05.2025, 05.30 | (0/0) Kommentare | TB | PL
Der Koi, der Musik liebte
In einem alten Zen-Garten in Kyoto, wo ein kleiner Teich von blühenden Kirschbäumen gesäumt ist, lebte ein prächtiger, gold-oranger Koi mit dem Namen Kin. Besucher kamen oft, um die Schönheit der Fische zu bewundern, doch Kin fiel besonders auf. Nicht wegen seiner Farbe, sondern wegen seines ungewöhnlichen Verhaltens.
Eines Tages bemerkte ein Gärtner, dass Kin jedes Mal auftauchte, sobald er seine Bambusflöte spielte. Anfangs hielt er es für Zufall, doch die Szene wiederholte sich: Sobald die ersten Töne erklangen, schwamm der Koi langsam aus dem Schatten unter der Brücke hervor, glitt an die Wasseroberfläche und bewegte sich in weiten Kreisen – fast wie ein Tanz.
Neugierig ließ sich ein Musikwissenschaftler darauf ein, das Verhalten näher zu beobachten. Tatsächlich reagierte Kin nur auf sanfte, langsame Melodien – schnelle oder schrille Töne ignorierte er vollständig. Über Wochen hinweg kamen immer wieder Besucher mit Instrumenten, doch nur auf die zarten Klänge der Flöte ließ sich der Fisch blicken.
Die Mönche des Gartens begannen bald zu sagen, Kin sei ein 2alter Mönch im Fischgewand", der zur Meditation gerufen werde, wenn die Musik ertöne. Manchmal saßen Besucher stundenlang am Teich, in der Hoffnung, den tanzenden Koi zu sehen.
Und Kin? Der schwamm weiter seine Kreise – ganz im Rhythmus des Windes und der Musik.
Die Anekdote über Kin, den musikliebenden Koi im japanischen Garten, basiert auf wiederholt beobachteten Verhaltensweisen von Koifischen, ist aber in der erzählten Form literarisch ausgeschmückt. Es gibt tatsächlich belegte Fälle, in denen Kois auf bestimmte Geräusche oder Musik reagieren – vor allem, wenn sie damit Fütterung assoziieren oder wenn sie über lange Zeit an einen Menschen gewöhnt wurden.
Ein Beispiel: In einigen japanischen Gärten wurden Kois darauf trainiert, bei einer bestimmten Melodie zur Oberfläche zu kommen, weil sie dann Futter bekamen. Auch in westlichen Gärten berichten Besitzer davon, dass ihre Kois "auf Musik reagieren" – ob aus Gewöhnung, Neugier oder vielleicht sogar aus echtem Gefallen an der Vibration im Wasser, lässt sich schwer genau sagen.
Anne Seltmann 23.05.2025, 05.28 | (0/0) Kommentare | TB | PL
Anne Seltmann 22.05.2025, 09.09 | (1/1) Kommentare (RSS) | TB | PL
deine hand auf meiner
ist kein versprechen
sondern ein hauch von möglichkeit
wie ein vogel,
der kurz landet
um dann weiterzufliegen
ich atme dich ein
nicht, um dich festzuhalten
sondern um dich zu spüren
in jedem flügelschlag
du bist das leise lachen
in meinem morgen
das licht, das sanft
durch die vorhänge fällt
ich liebe dich
nicht als ziel
sondern als weg
der sich öffnet
mit jedem schritt
~*~
© Anne Seltmann
1997
Anne Seltmann 18.05.2025, 08.49 | (0/0) Kommentare | TB | PL