Tag: Facebook
Neulich habe ich ein Rezept auf Facebook gesehen.
Nichts Spektakuläres – ein einfacher Pflaumen-Streuselkuchen. Sah fluffig aus,
ein bisschen nach Kindheit. Ich dachte: "Och, den könnte ich mal
ausprobieren."
Ein harmloser Gedanke. Wie naiv ich war.
Denn kaum war ich in die Kommentarspalte gerutscht, fand ich mich mitten im Küchenkrieg wieder. Da tobte nicht nur die Debatte ums Backpulver, sondern gleich um die Grundfesten der modernen Ernährung.
Der erste Kommentar:
"Viel zu viel Zucker – wollt ihr uns alle umbringen?"
Okay, dachte ich, jemand hat sich gerade seine Ernährungspyramide umgebaut.
Der zweite:
"Glyphosat! Das Mehl ist garantiert verseucht!"
Na wunderbar. Ich war also nicht nur ein potenzieller Zuckermörder, sondern
auch noch Mitverschwörer in einem Agrargift-Skandal.
Der Dritte?
"Ich mache das ganz anders: Statt Mehl nehme ich Haferflocken, statt Zucker
Ahornsirup, statt Butter Kokosöl und statt Ei… nix."
Klingt nach einem veganen Türstopper.
Und so geht es weiter. Unter jedem harmlosen Rezept versammeln sich die selbsternannten Ernährungsexperten, Küchenethiker und Kulinarik-Propheten, die alles besser wissen – und auch unbedingt alles sagen müssen.
Das Rezept selbst?
Wurde von keiner dieser Personen ausprobiert. Warum auch? Es geht ja nicht ums
Kochen. Es geht ums Recht-Haben.
Ich stelle mir vor, wie sie zu Hause sitzen, mit einem Löffel in der einen Hand und der anderen auf der Enter-Taste, lauernd wie Küchen-Ninjas: "Ah! Da! Ein Rezept! Angriff!"
Ich?
Ich back den Kuchen trotzdem. Mit Zucker. Mit Mehl. Mit Geschmack.
Und mit dem Wissen, dass ich bei Facebook nichts esse – außer vielleicht ein
paar Kommentare. Und manchmal… ein bisschen Spott!
© Anne Seltmann
Anne Seltmann 30.05.2025, 09.51 | (2/1) Kommentare (RSS) | TB | PL