Ausgewählter Beitrag
VON
PHILIPP HOLSTEIN
DÜSSELDORF
Deutschland hat einen
Exportschlager,
von dem bislang
nur
wenige wussten: Wörter. Begriffe
aus
dem Deutschen sind sehr
reisefreudig,
und sie fühlen sich in
der
Fremde so wohl, dass sie sich
dort
zahlreich niederlassen und
gern
bleiben. In Finnland etwa.
Dort
erscheint in der Fahrtziel-Anzeige
von
Linienbussen das Wort
Kaffeepausi“,
wenn der Fahrer mal
nicht
fährt. Oder in England. Dort
sprechen
sie von „kaffeeklatsching“,
wenn
sie kaffeeklatschen.
Einen
Atlas der „ausgewanderten
Wörter“
haben nun der Hueber-
Verlag
und der Deutsche Sprachrat
herausgegeben.
Das Buch – eine Art
Fundbüro
für die deutsche Sprache
ist
das Ergebnis einer Ausschreibung:
Im
Ausland lebende Deutsche
waren
aufgefordert, Begriffe
aus
der Heimat zu suchen, die auch
die
Menschen in der neuen Umgebung
verwenden.
Rund 6000 Wörter
kamen
aus 50 Ländern zusammen,
aus
Taiwan, Kamerun, Mauritius
und
Argentinien.
So
etwas wie der Global Player
unter
den deutschen Wörtern ist
Kindergarten“.
Ihn gibt es im englischen,
spanischen,
französischen
und
japanischen Sprachgebrauch.
Unter
den Einsendungen sind außerdem
so
schöne Wörter wie „Umpapa-
Musik“,
das man in Australien
ironisch
für Marsch- und Blasmusik
benutzt.
Auch die Vorstellung,
dass
Engländer „Schadenfreude“
sagen,
ist nett. Zumal sie
das
offenbar nur tun, weil sie meinen,
mangels
Fähigkeit zu solch
niederträchtigem
Gefühl kein eigenes
Wort
finden zu können. Ebenso
fein:
Der Erfolg von „Butterbrot“ in
Russland
– dort natürlich mit weichem
Auslaut
gesprochen: „Butterbrod“.
Etwas
Tragisches hat das Wort
„Kannitzeen
Boot“, das während
der
Weltkriege ins Afrikaans übernommen
wurde
und ein U-Boot bezeichnet.
„Aberjetzte“
ist auch so
ein
anrührendes Wort: Es findet
ebenfalls
in Afrika Verwendung, ist
ein
sarkastischer Spitzname für die
Deutschen
und stammt aus der
Zeit,
als Kolonialherren die Menschen
zur
Arbeit antrieben.
„Deutsche
Begriffe im Ausland
werfen
aber oft auch ein positives
Licht
auf Deutschland“, sagt Hans
Hillreiner,
Sprachwissenschaftler
und
Leiter des Projekts. Vor allem
Begriffe
aus den Bereichen Naturwissenschaft
und
Philosophie
zeugten
davon, wie weit vorn Deutsche
in
der jeweiligen Epoche gewesen
seien.
Die Türken etwa haben
das
Wort „Schiebedach“ übernommen.
Und
auch das Wort „Bremsstrahlung“
für
das physikalische
Phänomen,
dass Elektronen, die
beschleunigt
oder abgebremst werden,
Strahlung
aussenden, wird im
Ausland
benutzt – vor allem im englischsprachigen
Raum.
Kurios
ist der Fall des Wortes
„okay“.
Man meint ja immer, es
stamme
aus den USA oder aus England,
aber
das ist nur die halbe
Wahrheit,
wie Hans Hillreiner erklärt.
„Das
Wort kommt eigentlich
aus
dem deutschen Verlagswesen.
Korrektoren,
die keine Fehler in einem
Korrekturabzug
gefunden hatten,
zeichneten
ihn mit dem Vermerk
o.
K., das hieß ohne Korrektur.
Daraus
entstand in der amerikanischen
Aussprache
der zwei Buchstaben
unser
Okay. So reiste das
Wort
aus dem Deutschen ins Englische
und
zurück.“
Zu
Hause ist es eben doch am
schönsten.
Info
„Ausgewanderte Wörter“, Hueber
Verlag,
135 S., 19,95 Euro.
Anne Seltmann 18.11.2006, 14.28
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