Ausgewählter Beitrag
Ein dichter dichtet, weil er muß,
gleichviel, ob’s andern ein genuß.
Wenn regen durch die decke rinnt
liegt er auf seinem bett und sinnt
den tropfen nach, die perlengleich
hinflitzen durch sein dichterreich.
Und wenn ihr ächzt, weil euch sein lied
befremdlich durch die därme zieht,
sag ich: umsonst ist der verdruß:
ein dichter dichtet, weil er muß!
Ein dichter dichtet, weil er muß,
reimt haus mit maus und schuß mit nuß.
Auch wenn sein versschlag nicht so sehr
gedrillt ist wie beim militär
und was darin sich hebt und senkt
sich ein-, manchmal aber auch ausrenkt,
und wenn es euch verworren dünkt:
wenn nur sein kummerstern ihm blinkt!
Ob musenkuß, alraunenkuß:
ein dichter dichtet, weil er muß!
Ein dichter dichtet, weil er muß,
gleichviel ob sich sein pegasus
gefährlich in die kurven legt:
wenn er nur seinen reiter trägt!
Gleichviel, ob seine reime schön
gestutzt in samt und seide gehn
und ob sie rein sind oder nicht:
das unwägbare hat gewicht!
Das ist der versheit letzter schluß:
ein dichter dichtet, weil er muß!
~*~
© Otto Haubner
(Aus dem Buch: “Rückläufige Stunden”)
Anne Seltmann 04.10.2008, 11.09
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