Ausgewählter Beitrag

365 Tage Challenge – N° 168




N° 168




Die Taube


Sommerstille. - Mit dem leisen

Windhauch weht ein Lindenduft.

Über meinem Haupte kreisen

Zahme Tauben in der Luft.

 

Schwanken, schwenken und zerstieben,

Und der Himmel schlürft sie ein.

Eine einz`ge ist geblieben,

Flattert noch im Sonnenschein.

 

Höher -! Fittich nicht noch Köpfchen

Unterscheid' ich mehr genau.

Ein versprengtes Silbertröpfchen,

Funkelt sie im Dunkelblau.

 

Und sie zieht die hellen Kreise

Durch den stillen Sommertag:

Und sie sucht auf ihre Weise

Ihre Heimat, ihren Schlag.

 

Eingeborenem Befehle

Folgt ihr scheuer Flügelschwung;

Und in ihrer kleinen Seele

Dämmert die Erinnerung:

 

Fernab hinter Wald und Dörnern

Liegt ein schlichtes Haus geblockt;

An der Tür hat sie mit Körnern

Eine Kinderhand gelockt ...

 

Kleine Taube, kleine Taube,

Kommt die Nacht erst, hast du Ruh`!

Eines Dichters frommer Glaube

Sucht den Heimweg oft, wie du.

 

Und die Sonne hat dem Blinden

Ganz umsonst ihr Licht entfacht -

Und er darf die Heimat finden

In der Nacht erst, in der Nacht.

 

 ~*~


  Rudolf Presber 

1868 - 1935



Bernhards...






Anne Seltmann 17.06.2022, 16.40

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Kommentare zu diesem Beitrag

2. von Bernhard

Taube oder Spatz in der Hand, das ist hier die Frage, liebe Anne sonne

LG Bernhard

vom 22.06.2022, 19.44
1. von Elke

Der Himmel bewölkt
Taube wie ein Scherenschnitt
Galgenfeld

Das war jetzt meine Assoziation zum etwas trostlosen Schwarz-Weiß-Bild. Zu dem wunderschönen Gedicht hätte ich mir doch ein anderes Foto gewünscht.
Liebe Grüße – Elke

vom 17.06.2022, 22.59